In einem Augenblick landeten viele anklagende Blicke aus allen Richtungen auf Yan Wushi, auch von dem Händler. Er sah wie ein richtiger Gentleman aus, aber wenn man bedenkt, dass er so weit ging, einem Kind einen Tangren zu stehlen! Er hatte sogar ein so großes Stück davon abgebissen. Welches Kind würde da nicht weinen?
Der Händler hatte selbst auch zwei Töchter. Als er die
Reaktion von Shen Qiao sah, tat ihm das Herz weh, und er sagte schnell: „Der
Onkel wird dir noch einen formen. Nicht weinen!"
Als der kleine Shen Qiao dies hörte, hörte er tatsächlich
auf zu weinen und hob seine Ärmel, um sich die Tränen abzuwischen. Seine Stimme
war sehr nasal, als er sagte: „Danke, Onkel. Einer ist schon genug."
Er schaute wieder auf seinen "Shizun", dem jetzt
eine Schulter fehlte, und er konnte nicht anders, als wieder zu weinen. Er
kämpfte schnell damit, seine Tränen zurückzuhalten, und sah dabei sowohl
mitleidig als auch liebenswert aus. Das war mehr als genug, um in Frauen den
Mutterinstinkt zu rühren; selbst der Händler konnte nicht anders, als ihm noch
ein paar Tangren zu formen, um ihn zum Lächeln zu bringen.
Einige Passanten waren empört und wollten Yan Wushi
zurechtweisen, aber als sie seinem kalten Blick begegneten, waren sie von
seiner Aura so eingeschüchtert, dass sie ihre Worte hinunterschluckten, zu
ängstlich, um zu sprechen, und ihre Gesichter erröteten.
Yan Wushi sagte zu dem kleinen Shen Qiao: „Na gut, ich habe
vorhin nur einen Scherz mit dir gemacht. Er soll dir einen anderen formen. Du
kannst mir den verkrüppelten Qi Fengge geben."
„Shizun ist kein Krüppel!", sagte der kleine Shen Qiao
wütend, „Du hast ihn abgebissen!"
Yan Wushi lächelte: „Wenn du dich weiterhin so wild
aufführst, nehme ich dich mit, und du wirst Qi Fengge nie wieder sehen."
„Shizun ...", der kleine Shen Qiao schürzte die Lippen,
um nicht zu weinen, und seine Augen füllten sich mit Tränen, „Ich will
Shizun!!!"
Die Emotionen, die er so lange unterdrückt hatte, brachen
mit einem Mal hervor, und Shen Qiao verwandelte sich in ein weinendes Chaos.
Jetzt würden selbst zehn Tangren ihn nicht mehr zum Schweigen bringen können.
Yan Wushi umarmte den Jungen, dessen Schläfen und Mundwinkel
zuckten, als er endlich den Schmerz spürte, den er selbst verursacht hatte. Zum
ersten Mal fühlte sich Sektenanführer Yan, der immer der Eigensinnige und
Unvernünftige gewesen war, völlig hilflos.
Wäre die Person in seinen Armen nicht Shen Qiao gewesen,
hätte er natürlich hundert Möglichkeiten gehabt, ihn zum Schweigen zu bringen,
aber in seinen Augen war alles, was Shen Qiao tat, liebenswert. Yan Wushi hatte
nur eine andere Art, seine Bewunderung auszudrücken, als alle anderen, und er
hatte auch den Altersunterschied zwischen dem kleinen Shen Qiao und dem echten
Shen Qiao vergessen. In einem Moment der Unachtsamkeit hatte er es mit den
Neckereien übertrieben.
‒ ֍ ‒
Alle dachten, Shen Qiao sei über Nacht zu einem Kind geworden, aber in
Wirklichkeit war das nicht der Fall.
Shen Qiao öffnete seine Augen und merkte sofort, dass etwas
nicht stimmte.
Zwar lagen weiche Decken unter ihm, und über seinem Kopf
befanden sich die vertrauten Deckenbalken. Aber hinter den Fenstern war es
stockdunkle Nacht, und der helle Mond stand hoch am Himmel.
An einer dunklen Nacht gab es nichts auszusetzen. Falsch war
nur, dass die fünf Sinne aller Kampfkünstler unglaublich scharf waren und sie
unter normalen Umständen niemals in einen so tiefen Schlummer versinken würden.
Wenn sein Schlaf tiefer als gewöhnlich gewesen wäre, müsste es jetzt schon morgen
sein.
Er brauchte kein Kerzenlicht. Shen Qiao nutzte nur das
Mondlicht, um den Raum um sich herum zu betrachten, und bemerkte dann etwas
Seltsames: Dieser Ort war tatsächlich der Xuandu-Berg, aber anstatt dort
aufzuwachen, wo er eigentlich leben sollte, befand er sich in dem Haus, in dem
er als Schüler gelebt hatte.
Das Gefühl der Fremdheit wurde immer stärker ‒ aber Shen
Qiao war ja auch nicht der kleine Shen Qiao. Obwohl er ein wenig beunruhigt
war, tauchte gleichzeitig eine gewisse Vorstellung in seinem Herzen auf.
Träumte er etwa von der Vergangenheit?
Während er darüber nachdachte, stand er auf, stieß die Tür
auf und ging nach draußen. Die Nacht war still. Shen Qiao hob den Kopf, um in
den Himmel zu schauen, dann nach links und rechts um ihn herum.
Was er sah, ließ ihn sofort vor Überraschung erstarren.
Im Moment stand er im vorderen Bereich eines kleinen
Gebäudes. Und dieses kleine Gebäude war der Ort, an dem Qi Fengge und seine
Schüler gelebt hatten. Nachdem Shen Qiao Sektenanführer geworden war, wollte er
nicht mehr in der Residenz seines Shizun wohnen und war stattdessen in ein nahe
gelegenes Haus gezogen.
Im Moment war seine Umgebung stockdunkel. Die einzige
Ausnahme war das schwache Licht, das aus Shizuns altem Zimmer sickerte. Das
Kerzenlicht schwankte; es schien, als wäre jemand darin.
Shen Qiaos Herz pochte einen Moment lang vor Aufregung. Er
stieg die Treppe hinauf und ging langsam auf das Zimmer zu, in dem das
Kerzenlicht schien. Obwohl es sich wie ein Traum anfühlte, hatte er auch Angst,
von dem Traum enttäuscht zu werden. Er machte keine Anstalten, die Geräusche
seiner Schritte zu verbergen; die Person im Zimmer entdeckte schnell seine
Anwesenheit.
„Wer ist da draußen?" Die andere Person stand nicht
auf, um die Tür zu öffnen. Sein Ton war lässig und sanft, als würde er im
Kerzenschein lesen. Er war ungeheuer vertraut, etwas, das Shen Qiao schon
unzählige Male gehört hatte.
Er war nicht in der Lage, seinen sich beschleunigenden
Herzschlag zu kontrollieren. Seine Augen brannten und seine Sicht verschwamm
augenblicklich.
„Wer ist da?" Als die andere Person keine Antwort gab,
kam ihm das seltsam vor. So stand er schließlich auf und ging zur Tür, um sie
zu öffnen.
In dem Moment, in dem sich die Tür öffnete, standen sich die
beiden Männer von Angesicht zu Angesicht gegenüber, und das Gesicht, das Shen
Qiao unzählige Male in seinen Erinnerungen wiedererkannt hatte, stand nun
direkt vor ihm. Shen Qiaos ganzer Körper schien wie erstarrt zu sein, er konnte
sich nicht einmal einen halben Schritt bewegen. Er starrte den anderen Mann an,
unwillig, auch nur zu blinzeln.
„Bist du ...", Qi Fengge hielt inne und fuhr dann fort.
„Wer ist dieser angesehene Meister? Welche Angelegenheit führt Euch zum Xuandu-Berg?"
Zu diesem Zeitpunkt war Qi Fengge in der Blüte seiner Jahre,
das Haar an seinen Schläfen war tiefschwarz. Es schien, als hätte er gerade
gebadet, denn sein Haar war hochgebunden und noch feucht. Er war kein
überragend gutaussehender Schönling. Man konnte ihn höchstens als einigermaßen gutaussehend
bezeichnen, aber seine Gesichtszüge waren klar und selbstbewusst. Der Schliff
des Alters, seine reiche Erfahrung sowie die Breite und Tiefe seines Wissens
und seines moralischen Charakters verliehen ihm einen Teil einer
unbeschreiblichen Ausstrahlung. Wenn es auf dieser Welt einen Menschen gab, der
die Fähigkeit besaß, andere dazu zu bringen, ihm auf den ersten Blick zu
vertrauen, dann würde diese Beschreibung zweifellos auf Qi Fengge zutreffen.
Shen Qiao erinnerte sich noch sehr gut an die Zeit, als
Shizun der Durchbruch nicht gelungen war. Gerade als er dort, wo er saß, zu
sterben drohte, hatte man Shen Qiao befohlen, ihn ein letztes Mal zu besuchen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Qi Fengge bereits das unveränderte Aussehen verloren,
das er mehrere Jahrzehnte lang bewahrt hatte. Stattdessen war sein Teint
aschfahl, und seine Schläfen waren mit Strähnen von eisigem Weiß übersät.
Selbst sein Blick war trübe und leblos geworden. Als Shen Qiao Shizun wieder so
sah, wie er in der Vergangenheit gewesen war, stiegen plötzlich Nostalgie und
Trauer in seinem Herzen auf. Er konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten ‒
sie liefen ihm in Strömen über die Wangen.
„Shizun ...", Shen Qiao schluchzte leise. Als er
merkte, dass er seine Manieren vergaß, senkte er schnell den Kopf und wischte
sich die Tränen weg, bevor er ihn wieder hob, „Shizun, dieser Schüler ist Shen Qiao
... Ich bin ... der Shen Qiao aus zwanzig Jahren in der Zukunft. Auch dieser
Schüler weiß nicht, was passiert ist; ich bin bereits in der Vergangenheit
aufgewacht. Vielleicht erscheint es deiner verehrten Person, unvorstellbar,
wenn ich das sage, aber dieser Schüler hegt keine bösen Absichten ...“
„Ich glaube dir", sagte Qi Fengge.
Shen Qiao verstummte an dieser Stelle und starrte Qi Fengge
erstaunt an.
Qi Fengge lächelte. „Ich glaube dir, denn obwohl du größer
geworden bist, sind deine Gesichtszüge immer noch dieselben, und auch die Art,
wie du sprichst, wie du gehst, und alle möglichen anderen Dinge ‒ in all dem
ist dein altes Ich sichtbar. Wie könnte ich dich nicht erkennen?"
Dann streckte er eine Hand aus und tätschelte sanft den Kopf
von Shen Qiao. „So sieht A-Qiao also aus, wenn er erwachsen ist."
Shen Qiao spürte nur eine kurze Wärme auf seinem Kopf,
konnte aber nicht verhindern, dass das beklemmende Gefühl wieder zurückkehrte.
„Aber was für ein göttliches Ereignis ist das? Du sagtest, du
seist A-Qiao aus zwanzig Jahren in der Zukunft, was ist dann mit dem
sechsjährigen A-Qiao geschehen?"
Wie von Qi Fengge erwartet, war er der Sache sofort auf den
Grund gegangen.
Shen Qiao runzelte die Stirn. „Dieser Schüler weiß es auch
nicht. Ich habe meditiert und bin dann irgendwie eingeschlafen. Als ich
aufwachte, stellte ich fest, dass ich zwanzig Jahre in die Vergangenheit
gereist war."
Qi Fengge schien ziemlich fasziniert zu sein. „Wo ist dieser
Meister dann, zwanzig Jahre in der Zukunft?"
Shen Qiao schwieg.
Qi Fengge verstand. „Dann bin ich bereits tot."
„Shizun ...“
Qi Fengge war amüsiert. „Geburt, Alterung, Krankheit und Tod
sind ganz normale Dinge. Kampfkünstler mögen länger leben, aber ihre
Lebensspanne ist nicht mit der des Himmels zu vergleichen. Warum macht A-Qiao
so einen Gesichtsausdruck? Könnte es sein, dass du zwanzig Jahre lang
vergeblich gewachsen bist, weil du immer noch nicht darüber hinwegkommst?"
Shen Qiao holte tief Luft. „Dieser Schüler hat seine Lektion
gelernt."
„Wer ist der Sektenanführer des Xuandu-Bergs zu dieser Zeit?"
„Dieser Schüler ist es."
Qi Fengge sah nicht besonders überrascht aus. Stattdessen
lächelte er und nickte.
„Dazwischen geschahen viele Ereignisse; es ist eine lange
Geschichte", sagte Shen Qiao. „Will Shizun, dass dieser Schüler einen
detaillierten Bericht abgibt?"
Qi Fengge schüttelte den Kopf. „Mehr brauchst du nicht zu
sagen. Die Dinge, die geschehen sollen, sind bereits vorherbestimmt. Sie zu
kennen, bringt keinen Nutzen, es könnte die Dinge sogar noch schlimmer machen."
Jeder gewöhnliche Mensch, der die Chance erhält, etwas über
seine Zukunft zu erfahren, würde seine Neugierde nicht zügeln können. Aber Shen
Qiao war von Qi Fengges Antwort nicht überrascht; so weise und rücksichtsvoll
war sein Shizun einfach.
„Ich bin mir nicht sicher, wie lange dieses göttliche
Ereignis andauern kann", sagte Qi Fengge, „Dieser Meister hat die seltene
Chance erhalten, einen erwachsenen A-Qiao zu treffen, aber du kannst nicht
deine ganze Zeit hier verschwenden. Heute Abend ist das Laternenfest, und deine
Kampfgeschwister sind alle in die Berge gegangen, um zu spielen. Möchtest du
auch hinuntergehen und einen Spaziergang machen?"
„Natürlich ist dieser Schüler dazu bereit", sagte Shen
Qiao freudig.
Die beiden stiegen hintereinander den Berg hinunter. Qi
Fengge setzte sein Qinggong ein, seine Gestalt schwebte wie die eines
wandernden Unsterblichen. Shen Qiao stellte fest, dass sich in diesem Traum
nicht nur alles in seiner Umgebung völlig real anfühlte, auch seine Kampfkünste
waren nicht im Geringsten beeinträchtigt worden. Es fühlte sich wirklich nicht
so an, als wäre es nur ein Traum.
Qi Fengge war gerade stehen geblieben, als er sah, dass Shen
Qiao bereits neben ihm stand, und er konnte seine Freude nicht verbergen. „Der
Schüler übertrifft den Meister! Der Xuandu-Berg hat einen würdigen Nachfolger!"
Shen Qiao lächelte. „Shizun ist zu gütig. Meine Kampfkünste
sind immer noch schlechter als deine auf deinem Höhepunkt. Yan Wushi jedoch ..."
Gleich nachdem er diesen Namen ausgesprochen hatte, bemerkte
er, dass ihn eine unerklärliche Kraft daran hinderte, über verschiedene Dinge
zu sprechen, die die Zukunft betrafen.
Qi Fengge bemerkte keine Auffälligkeiten: „Yan Wushi? Es
scheint, dass seine Kraft in zwanzig Jahren eine andere Stufe erreichen wird!"
Shen Qiao war nicht in der Lage, das zu erklären, und nickte
nur.
Auch Qi Fengge verfolgte die Angelegenheit nicht weiter.
Sein Blick fiel auf die festliche und lärmende Szene vor ihnen, auf die
Menschen, die kamen und gingen. Er lächelte und fragte: „Ich hoffe, dass die
Stadt Xuandu auch in zwanzig Jahren noch lebendiger sein wird?"
Laternen, so weit das Auge reicht, in bunten und
vielfältigen Farben. Von Zeit zu Zeit hörte man das Lachen und Spielen von
Kindern. Es war wirklich ein ausgelassenes und lebendiges Laternenfest.
„Ich glaube, es ist ungefähr gleich", sagte Shen Qiao.
Er hatte sich bereits völlig beruhigt. Es war nicht weiter
schlimm, nicht über die Zukunft sprechen zu können. So eine Nacht mit Shizun zu
verbringen, war schon die größte und glücklichste Überraschung.
Qi Fengge brachte sie zu einem Stand, an dem man Laternenrätsel
lösen konnte, wo er mitmachte und ein Rätsel richtig beantwortete und dabei
eine Kaninchenlaterne gewann. Dann reichte er Shen Qiao die Kaninchenlaterne
und scherzte: „Als du letztes Jahr den Berg hinunterkamst, hattest du auch
Gefallen an dieser Kaninchenlaterne gefunden. Aber Yuan Chun wollte sie auch
haben, also hast du sie ihm überlassen. Dieses Jahr bist du nicht mit ihm
heruntergekommen, also bekommst du diese Kaninchenlaterne zu einem guten Preis!"
Shen Qiao erinnerte sich nicht mehr daran, was passiert war,
als er sechs Jahre alt war, aber er empfand die aufrichtige und wertschätzende
Liebe, die Shizun ihm entgegenbrachte, als unglaublich warm, und er klammerte
sich an die Kaninchenlaterne, ohne sie loslassen zu wollen.
Das Kerzenlicht leuchtete aus dem Bauch des Kaninchens und
brachte eine schwache Wärme mit sich.
Zwanzig Jahre in der Vergangenheit und zwanzig Jahre in der
Zukunft. Ein lebender Mensch und ein eisiges Grab.
Feuchtigkeit stieg in Shen Qiaos Augen auf, und aus Sorge,
Shizun könnte ihn für schwach halten, blinzelte er sie schnell weg. Erst dann
lächelte er. „Danke, Shizun."
Qi Fengge klopfte ihm auf die Schulter, sein Blick war von
zärtlicher Liebe erfüllt. Er sagte nichts, aber er schien alles verstanden zu
haben.
Als sie die Gasse durchquerten, wurde es allmählich ruhiger
und stiller. Vor ihren Augen floss der Fluss sanft vorbei. Viele Laternen waren
auf Papierboote gesetzt worden und trieben flussaufwärts, die Wünsche und
Träume vieler Menschen in sich tragend.
Die beiden rasteten eine Weile unter einem Baum. Qi Fengge
sah, dass Shen Qiao die Kaninchenlaterne immer noch in der Hand hielt und sie
nicht absetzen wollte. Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Warum ist
mein A-Qiao immer noch so kindisch, wo er doch schon so erwachsen ist?"
Auch Shen Qiao lächelte. „Weil Shizun sie mir geschenkt hat."
Allein der Anblick der Laterne gab ihm das Gefühl, dass
Shizun an seiner Seite war und ihn begleitete. Shen Qiao wollte nicht glauben,
dass dies nur ein Traum war, und vielleicht konnte die Existenz dieser
Kaninchenlaterne seine eigene Existenz realer erscheinen lassen.
Qi Fengge nahm ihm die Laterne ab und zog mit einem dünnen
Zweig den Docht heraus. Er machte ihn ein wenig länger, damit er auch etwas
länger brennen konnte. Dann gab er die Laterne an Shen Qiao zurück. „Es tut mir
leid."
Shen Qiao begann. „Warum sagt Shizun das?"
„In zwanzig Jahren wirst du der Sektenanführer sein",
sagte Qi Fengge sanft, „Ich vertraue darauf, dass du zu dieser Zeit der Einzige
unter den Schülern bist, der eine so schwere Last tragen kann. Du bist von
Natur aus bescheiden und freundlich, und du magst das Rampenlicht nicht. Also
war es dieser Meister, der dich dazu gedrängt hat."
Shen Qiao lachte leise. „Ich bin ein Schüler des Xuandu-Bergs.
Ich wünsche mir, dass der Xuandu-Berg friedlich ist, und wenn Shizun glaubt,
dass ich es gut machen kann, muss ich mich auch voll und ganz dafür einsetzen.“
Obwohl er anfangs einen Umweg gegangen war und einen
schrecklich hohen Preis bezahlt hatte, hatte er am Ende das Gefühl, dass er
diese Erwartungen nicht enttäuscht hatte.
Die beiden unterhielten sich noch lange unter dem Baum. Shen
Qiao konnte sich nicht erinnern, wann, aber er wurde müde und schlief
schließlich ein.
In seinem Traum ruhte sein Kopf auf Qi Fengges Schoß, und in
seinen Armen hielt er immer noch die Kaninchenlaterne, die bereits erloschen
war. Ein kleines Lächeln lag auf seinen Lippen. Eine Hand tätschelte sanft
seinen Kopf, immer und immer wieder, genau wie damals, als er noch ein Kind
war.
Shen Qiao wurde von den stechenden Sonnenstrahlen geweckt.
Er öffnete seine Augen. Das Sonnenlicht fiel durch die
Ritzen des Laubes und beträufelte seinen Körper. Neben ihm saß eine weitere
Person, die sich an den Baumstamm lehnte. Doch es war nicht Qi Fengge, sondern
Yan Wushi.
Yan Wushi öffnete seine Augen und rieb sich die Schläfen. Er
war damit beschäftigt, herauszufinden, warum er sich trotz seiner Kampfkünste
nicht daran erinnern konnte, wann er eingeschlafen war, aber als er Shen Qiao
sah, zuckte er leicht zusammen. „Du bist wieder da?"
Die beiden verglichen ihre Erzählungen bis in die kleinsten
Details. Shen Qiao wurde plötzlich klar, dass es sich nicht um einen Traum
handelte, sondern dass er tatsächlich für kurze Zeit den Platz mit dem sechsjährigen
Shen Qiao getauscht hatte und in die Vergangenheit zurückgekehrt war.
„Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich mit sechs
Jahren eine Erinnerung daran hatte", sagte er.
„Vielleicht, weil es in der Vergangenheit geschah",
sagte Yan Wushi. „Deshalb hat dein altes Ich natürlich alles vergessen."
Shen Qiao dachte noch einmal gründlich darüber nach. Es
schien, dass dies die einzig mögliche Antwort war.
Plötzlich beugte sich Yan Wushi in der Taille vor, drückte
den größten Teil seines Oberkörpers auf den von Shen Qiao und griff nach etwas,
das er hinter sich herausziehen wollte.
Shen Qiao sah hin. Zu seiner Überraschung war es die Kaninchenlaterne.
⇐Vorheriges Kapitel Nächstes Kapitel⇒
Da ging Yan Wushi zu weit XDD Mini Shen Qiao kann sich kaum beruhigen und dann die anklagenden Blicke auf Yan Wushi, der sie jedoch alle mit seiner Aura und Blicke verstummen lässt XD Aber der kleine Shen Qiao hat etwas in Yan Wushi berührt, denn dieser fühlt sich auf einmal total hilflos XD Aber wie er dann den kleinen Shen Qiao umarmt und ihn tröstet, ist wieder so awww.
AntwortenLöschenDer eigentliche Shen Qiao ist zurück in die Vergangenheit geraten und sieht seinen Shizun wieder. Dieser erkennt sogleich wer vor ihm ist. Und dieser ganze Abschnitt mit Shen Qiao und Qi Fengge war schön zu lesen. Man hatte ja nicht die Möglichkeit gehabt, seinen Shizun etwas kennenzulernen und allein der kleine Part mit ihn zeigt einem, das er ein toller Shizun gewesen sein muss. Kein Wunder das Shen Qiao ihn so geschätzt hat. Und dann die Szene mit der Laterne, die Shen Qiao wie ein Schatz aufbewahrt und selbst in die Gegenwart irgendwie zurück bringt.
Ein weinender, kleiner Shen Qiao und ein erwachsener, hilfloser Yan Wushi, der nicht mehr weiter weiß. Ich hätte gerne noch erfahren, wie und ob Yan Wushi es geschafft hat, seinen A-Qiao zu beruhigen. Es ist aber auch erstaunlich, dass Shen Qiao es geschafft hat einen Yan Wushi komplett hilflos zu machen, das hat bis jetzt keiner geschafft.
LöschenDie ganze Szene mit Qi Fengge hat mir sehr gefallen, vor allem da Shen Qiao noch einen schönen Abschluss mit ihm haben konnte.
Wie schön, dass Shen Qiao noch einmal seinem Shizun begegnen konnte
AntwortenLöschenDas fand ich auch sehr schön. Was mir an diesem Kapitel vor allem gefallen hat, dass wir Qi Fengge mal persönlich kennenlernen und erleben durften, sonst lief das ja immer nur über Erzählungen ab.
Löschen