Shen Qiaos Augen waren noch immer sanft geschlossen, sein Gesicht war ruhig wie ein stilles Gewässer. Für einen Beobachter scheint es, als würde sich der Bambusstock in seiner Hand völlig willkürlich bewegen und ohne nennenswertes Muster dorthin schlagen, wo er will.
Aber es war genau diese Unordnung in diesen Angriffen, die
Duan Wenyang misstrauisch machte. Mit einem noch ernsteren
Gesichtsausdruck als damals, als er Li Qingyu gegenüberstand, tauschte er in
einem Augenblick hundert Schläge mit Shen Qiao aus. Sie kämpften vom Boden bis
zu den Dächern, dann von den Dächern bis zu den Bäumen, Licht und Schatten
tanzten über ihre Figuren, während sie mal verhalten und mal brutal
umherflogen. Die Geschwindigkeit, mit der sie zuschlugen und parierten, war
verblüffend – jeder, dem es auch nur ein bisschen an Kampfkunst mangelte,
konnte ihre Bewegungen nicht erkennen.
Und bis jetzt zeigte Shen Qiao keine Anzeichen, dass er
zurückbleiben würde.
Jetzt, da Duan Wenyang nun nicht mehr auf sie achten
konnte, kamen die Diener der Familie Su eilig herbei und umringten Su Wei, um
ihn zu schützen. Su Qiao wies sie an, seine Mutter und seinen Bruder zurück ins
Haus zu bringen, während er selbst trotz der Schmerzen draußen stehen blieb.
Je mehr alle zusahen, desto erstaunter wurden sie, und derjenige
der am meisten staunte, war niemand anderes als Duan Wenyang.
Dass Shen Qiao auf Duan Wenyangs und Li Qingyus Spott nicht
reagierte, war für niemanden eine Überraschung. Denn Duan Wenyang war nicht der
Einzige, der dachte, dass Shen Qiaos gegenwärtiger Zustand bedeutete, dass er
bereits halb zerstört war. Ruhm konnte zwar wiederhergestellt werden, aber die
Wiedererlangung seiner Kampfkünste würde sehr schwierig sein, und ohne sie
hatte er keinen Platz in der Jianghu. Wenn er gezwungen war, sich zum Schutz
auf andere zu verlassen, dann war er in den Augen von Duan Wenyang und den
anderen nur noch Abfall. Jeder hatte das Recht, auf ihn herabzusehen.
Und doch war es dieser ‘Abschaum‘, der schaffte, was fast
allen anderen bis dahin nicht gelungen war – er hatte Duan Wenyang nicht nur
gestoppt, sondern sogar ein Unentschieden erkämpft.
In diesem Moment konnten viele der Zuschauer nicht umhin zu
denken: Der Sektenanführer des Xuandu-Berges war schließlich der Sektenanführer
des Xuandu- Berges. Der Titel ‘die taoistische Sekte Nummer eins der Welt‘ war
zwar nur eine Fälschung, aber Shen Qiao war nicht ohne Grund zum Nachfolger von
Qi Fengge gewählt worden.
Wenn er jedoch auf Augenhöhe mit Duan Wenyang war, wie
hatte er dann das Duell gegen Kunye verloren und sich in eine solche Lage
gebracht? Gab es da eine verborgene Geschichte?
Während chaotische Gedanken durch die Köpfe aller
Beteiligten schwirrten, starrten sie unbeirrt auf das Duell vor ihnen, aus
Angst, auch nur eine einzige Sekunde zu verpassen. Der Kampf war genauso
großartig wie der Kampf mit Li Qingyu im Jahr zuvor.
Doch innerhalb des Kampfkreises lief es für Shen Qiao nicht
so mühelos, wie die Zuschauer glaubten.
Duan Wenyang war in der Tat sehr stark, und seine Kampffähigkeiten
waren definitiv besser als die von Kunye. Beides war unbestreitbar.
Es gab einige Gründe, warum Shen Qiao so lange
durchgehalten hatte. Erstens hatte er immer noch die Hälfte seiner Kampfkraft
als Grundlage. Zweitens war Duan Wenyang während seines Kampfes mit Li Qingyu
verletzt worden. Und drittens ergänzten die Kampfkünste des Xunadu-Berges die Acht
Trigramme, das Ziwei Doushu und sogar die Formen der Astrologie. Das Ergebnis
war exquisit und unvorhersehbar. Weil er noch nie damit in Berührung gekommen
war, verlor Duan Wenyang die Initiative und wurde mitgerissen.
Der Kampf war großartig anzusehen. Duan Wenyang vollführte
mit seiner Peitsche einen Hieb nach dem anderen, die Peitschenhiebe waren so
verheerend und unaufhaltsam wie Blitzschlag. Unnachgiebiges, herrschsüchtiges wahres
Qi hämmerte mit jedem gebogenen Peitschenhieb auf Shen Qiao ein und drückte ihn
nieder. Der Druck auf Shen Qiao wuchs und wuchs. Er war wie ein Stück
zerbrechliches Porzellan: schön, aber kurz vor dem Zerbrechen und unfähig,
einem weiteren Schlag standzuhalten.
Ein scharfer Knall ertönte. Der Bambusstock war in zwei
Teile zerbrochen. Li Qingyi warf das Schwert, das er in der Hand hielt, sofort
zu Shen Qiao. „Fangt!"
Shen Qiao nutzte nur seine Ohren, um die Richtung zu
erkennen, und hielt es fest in der Hand, ohne auch nur den Kopf zu drehen. Das
Qi des Schwertes schwang nach unten und schnitt mit perfekter Präzision in die
Wand von Duan Wenyangs Peitschen-Nachbildern.
Wie ein bergzerstörendes Erdbeben, oder die Stromschnellen
von tausend Schluchten, die die Deiche verschlingen, schoss das Schwertqi
hervor, völlig unaufhaltsam. Duan Wenyangs Gesichtsausdruck flackerte, als er
gezwungen war, nachzugeben und sich zurückzuziehen. Die vielen Nachbilder der
Peitsche verschwanden und wurden durch ein einziges weißes Licht ersetzt.
Das weiße Licht war kein Schwertqi, denn ihm fehlte sowohl
die Herkunft als auch die Substanz. Es fühlte sich auch nicht wie echtes Qi an –
es flatterte und floss, der Körper war so geschmeidig wie ein Stoffbändchen.
Aber es eilte auch wie ein Schatten hinter Duan Wenyang her, als hätte es einen
eigenen Willen. Es verfolgte ihn unerbittlich und war nicht bereit, auch nur
eine Sekunde lang aufzugeben.
„Was ist das? Ist das auch wahres Qi?", fragte Zhan Ziqian
erstaunt.
„Nein, es ist ein Schwert, das anders aussieht als das, das
Li Qingyu vorhin benutzt hat."
„Li Qingyus Schwertabsicht war formlos, aber dieses hier
hat eine Form."
„Das Formlose übertrifft das Geformte", sagte Zhan Ziqian.
„Li Qingyu ist also eine Stufe über ihm?"
„Die Schwertabsicht ist von Natur aus formlos", sagte
Xie Xiang. „Wie kann also das Formlose hier das Geformte übertreffen? Wenn er
in der Lage ist, eine Schwertabsicht mit Form zu erschaffen, bedeutet das, dass
er bereits die Essenz des Schwertes erfasst hat und nahe an der Stufe des
Schwertherzens ist!"
Zhan Ziqian begann zu verstehen, und seine gute Meinung von
Shen Qiao verwandelte sich in glühende Bewunderung.
Duan Wenyang wich in einem Zug Dutzende von Schritten
zurück, aber das weiße Schwert verlor nicht den Hauch seiner Schärfe, obwohl es
ihn sanft zu fassen bekam.
Die Schwertabsicht und der Sturz der Peitsche trafen
aufeinander. Und obwohl die Peitsche aus der Haut von Südsee-Krokodilen
bestand, die mit Dutzenden von Kräutern getränkt worden war, schnitt die
Schwertabsicht einen Teil der Haut ab!
Duan Wenyangs Gesichtsausdruck veränderte sich. Von seiner
Handfläche aus schickte er einen kräftigen Stoß in Richtung der Schwertabsicht.
Wie Himmel und Wasser, die sich trafen, wo der Nebel um die Klippen wirbelte
und die Wasserfälle wie Seidenbänder in den Fluss stürzten, versank das
grenzenlose Weiß im Chaos, und alles wurde in Verwirrung gestürzt!
Eine riesige, tragische Welle rollte in alle Richtungen.
Alle wichen erschrocken zurück, und erst nachdem sie viele Schritte gegangen
waren, erkannten sie, dass es sich bei der Flut nicht um eine echte Welle
handelte, sondern um den Rest eines Schwertes in Form einer Welle.
Die Menschen kehrten zu ihren Sinnen zurück, aber ein
kühles Gefühl von Feuchtigkeit auf ihrer Haut zeugte von der Macht der
Schwertabsicht.
Zhan Ziqian fand das faszinierend und konnte nicht
widerstehen, sich über das Gesicht zu wischen. Natürlich konnte seine Hand
nichts wegwischen, aber Xie Xiang sagte: „Das liegt daran, dass er noch keine
voll ausgebildete Schwertabsicht hat. Wäre sie perfektioniert worden, gäbe es
keine Garantie, dass wir Zuschauer unbeschadet davongekommen wären."
Zhan Ziqian bewunderte immer die Einsicht seines Shidi.
Sofort fragte er: „Es scheint, dass seine innere Kultivierung und sein wahres
Qi nicht vollständig mit seiner Schwertabsicht übereinstimmen. Woran liegt das?"
Xie Xiang gab einen zustimmenden Laut von sich, seinen
Blick immer noch auf den Kampf gerichtet. „Wahrscheinlich leidet er an einer
alten Verletzung, weshalb seine innere Kultivierung stark vermindert ist.
Selbst wenn er die Schwertabsicht erreicht hat, kann er sie nicht in vollem
Umfang ausüben. Ich fürchte, er wird nicht mehr lange durchhalten."
Zhan Ziqian blickte schnell wieder zu Shen Qiao. Er hatte
eine gute Meinung von Shen Qiao, deshalb wollte er nicht, dass er verlor. Aber
in den sich überlagernden Nachbildern von Schwertabsicht und Peitsche war es
sehr schwer, zu erkennen, wie sich die Kämpfer hielten.
Duan Wenyang wurde langsam müde. Er hatte einen Teil seiner
Peitsche verloren und war bei seinem früheren Kampf mit Li Qingyu verletzt
worden. Er bereute schon lange, dass er Shen Qiao unterschätzt hatte. Auch wenn
er ein wenig zu wenig Kraft hatte. Egal wie hervorragend Duan Wenyangs innere
Kultivierung war, er konnte sein Qi nicht ununterbrochen verbrauchen. Als er
sah, dass Shen Qiaos Schwertabsicht umso heller aufflammte und einen weiteren
mächtigen Angriff ankündigte, verlor er sofort die Lust, weiterzukämpfen. Er
zog sich zurück und entfernte sich, während er lachte: „Sektenanführer Shens
Ruf ist wohlverdient! Ich fürchte, ich habe heute keine Zeit – ich werde mich
ein anderes Mal beraten lassen. Lebt wohl!"
Niemand konnte ihn daran hindern, zu gehen. Obwohl er aus
dem Khaganat stammte, war sein Qinggong außergewöhnlich, und seine Bewegungen
waren ungewohnt und perplex. Keiner der Anwesenden konnte die Quelle dieser
Technik identifizieren.
Shen Qiao verfolgte ihn nicht.
Er war der Einzige, der sowohl gegen Kunye als auch gegen
Duan Wenyang gekämpft hatte.
Kunye war in der Tat ein geschickter Kämpfer, aber hätte er
ihr Duell auf dem Banbu- Gipfel verloren, wenn Shen Qiao nicht auf die
Vergiftungsmethode hereingefallen wäre?
Aber Duan Wenyang war anders. Shen Qiao mochte zwar den
größten Teil seiner Kampfkünste verloren haben, aber sein Verstand war immer
noch intakt, und er war erstaunt darüber, was für ein furchterregender Gegner
Duan Wenyang war. Obwohl er in der Lage war, die Tiefen von Duan Wenyangs
Fähigkeiten zu ergründen. Hatte Shen Qiao geschwächelt wie ein Pfeil, der sich
dem Ende seines Fluges nähert, und wenn sie weitergekämpft hätten, hätte er
sicher verloren. Doch genau in diesem Moment hatte Duan Wenyang beschlossen,
sich zurückzuziehen.
Während er an Ort und Stelle stand und nach Luft schnappte,
wurde Shen Qiao klar, dass die Manifestation seiner Schwertabsicht ihn mehr als
die Hälfte seines wahren Qi gekostet hatte. Sein Körper war furchtbar schwach,
und es war mühsam, normal zu gehen. Er konnte nicht anders, als bitterlich zu
lächeln.
Li Qingyu ging auf ihn zu. „Sektenanführer Shen."
Shen Qiao nutzte die Gelegenheit, um ihm Qingshui
zurückzugeben. „Danke, Li-Gongzi, dass Ihr mir Euer Schwert geliehen habt. Es
ist eine exzellente Klinge, aber leider hat dieser Shen sie durch seine
Unzulänglichkeit entehrt."
Li Qingyu nahm das angebotene Schwert an. „Ich habe mich
vorhin falsch ausgedrückt – nehmt es Euch nicht zu Herzen."
Demütig zu sprechen war offensichtlich etwas Seltenes für
ihn. Selbst seine Entschuldigung kam ein wenig kalt und steif daher.
Shen Qiao lächelte. „Ihr seid zu höflich, Li-Gongzi. Hättet
Ihr mir nicht vorhin Euer Schwert überlassen, ich fürchte, ich würde jetzt tot
auf dem Hof liegen."
Als seine Augen die Fähigkeit erlangten, die Welt um ihn
herum vage wahrzunehmen, hatte er die Angewohnheit entwickelt, die Menschen und
Gegenstände anzustarren. Und so waren seine Augen zwar immer noch so geistlos
wie früher, aber unter der Sonne schienen sie einen strahlenden Glanz zu
bekommen. Diejenigen, die ihn so sahen, konnten nicht anders, als ihn zu bemitleiden.
Li Qingyu starrte ihn einen Moment lang an. „Wenn Ihr
nirgendwo hingehen könnt", sagte er plötzlich, „kann das Chunyang-Kloster Euch
einen Platz zum Leben bieten. Ihr müsst Euch nicht herablassen, von anderen
abhängig zu sein, und schon gar nicht von Leuten, die Ihr nicht mögt."
Su Qiao war erstaunt, von diesem Angebot zu hören. Jeder im
Chunyang-Kloster wusste von der kalten und steifen Art seines Shidi und dass er
sich nur für Kampfkünste interessierte. Vielleicht empfand er ein wenig Wärme
gegenüber seinem Meister und seinen Mitschülern, aber das war auch schon alles.
Su Qiao selbst hatte noch nie gehört, dass Li Qingyu seine Worte für jemanden
erweichen würde, geschweige denn, dass er jemanden einlud, im Chunyang-Kloster
zu bleiben. Und doch behandelte er einen völlig Fremden wie Shen Qiao mit
solcher Wertschätzung.
Auch Shen Qiao schien überrascht zu sein. Er erstarrte
einen Moment und lächelte dann als Antwort. „Danke für Ihre Freundlichkeit,
Li-Gongzi."
Er hatte sich bedankt, aber nicht angegeben, ob es
notwendig war – das bedeutete das er das Angebot nicht annahm.
Sie waren nur zwei Fremde, die sich zufällig getroffen
hatten. Sie hatten eine Art Beziehung zueinander. Shen Qiao wollte nicht, dass
seine Angelegenheiten Chunyang-Kloster Schwierigkeiten bereiteten.
Li Qingyi nickte und sagte nichts mehr. Er nahm sein
Schwert und ging.
Obwohl es niemand laut gesagt hatte, sahen sie in ihren
Herzen auf diesen unterdrückten ehemaligen Sektenanführer herab. Aber jetzt,
nachdem Duell zwischen Shen Qiao und Duan Wenyang, waren solche Gedanken wie
weggeblasen.
Ja, Shen Qiao hatte den Vorteil, in der zweiten Runde zu
kämpfen. Aber wer sonst hätte Duan Wenyang aufhalten können, wenn er nicht
eingegriffen hätte?
Und wer könnte behaupten, dass er Duan Wenyang zum Rückzug
zwingen konnte?
Frau Qin kam herüber, unterstützt von ihrer Zofe. Sie
verbeugte sich tief vor Shen Qiao, ebenso wie Su Wei und Su Qiao. „Danke,
Sektenanführer Shen", sagte sie, „dass Sie meinen Sohn noch rechtzeitig
gerettet haben. Bitte nehmen Sie die Ehrerbietung dieser alten Frau entgegen!"
Shen Qiao beeilte sich, sie aufzuhalten. „Die Frau muss nicht
so höflich sein. Duan Wenyang kehrte zurück und wollte den Herzog des Bezirks
Meiyang als Geisel nehmen - das war höchst unehrenhaft von ihm. Als Gast in
Eurer Residenz ist es natürlich meine Pflicht, Euch zu unterstützen!"
„Wie dem auch sei, von heute an seid Ihr der große
Wohltäter der Familie Su", sagte Frau Qin. „Unsere Türen werden Ihnen
immer offen stehen – wenn Shen-Xiansheng einen Wunsch hat, wird unsere Familie
Su ihr Bestes tun, um ihn zu erfüllen."
Die Familie Su konnte zwar nicht viel tun, doch Frau Qins
aufrichtige Dankbarkeit spiegelte sich deutlich in ihrem inbrünstigen
Versprechen wider.
Das Geburtstagsbankett hatte durch Duan Wenyangs
Einmischung ein Ende gefunden. Alle waren mit guter Laune gekommen und
verließen es nun mit schlechter Laune. Puliuru Jian verließ das Anwesen mit
Shen Qiao und lud ihn ein, sein Haus zu einem späteren Zeitpunkt zu besuchen.
Dann verabschiedete er sich und machte sich auf den Weg.
Shen Qiao wollte gerade in die Kutsche steigen, doch Zhan Ziqian
rief ihm nach: „Bitte wartet, Shen-Langjun!" Er verbeugte sich mit
gefalteten Händen und fragte dann: „Ich wollte schon früher mit Ihnen sprechen,
aber ich hatte keine Gelegenheit dazu. Bitte gewähren Sie mir eine Bitte!"
„Was ist los, ist es etwas Ernstes?", fragte Shen Qiao
neugierig.
Zhan Ziqian lächelte. „Ich möchte Euch fragen, ob ich Euch
malen darf."
„Mich malen?", fragte Shen Qiao.
„Genau", sagte Zhan Ziqian. „Ich habe schon immer
gerne gemalt, und meine Lieblingsmotive sind Götter und Unsterbliche. Aber
obwohl es in dieser Welt alle möglichen Menschen gibt, wo würde man einen
echten Gott oder einen Unsterblichen finden? Doch dann sah ich Shen-Langjun –
von allen seid Ihr dem Ideal meines Herzens am nächsten. Deshalb wollte ich Euch
fragen, ob Ihr mein Modell sein wollt."
Shen Qiao hatte schon viele seltsame Bitten gehört, aber
dies war das erste Mal, dass ihn jemand bat, ihn zu malen. Einen Moment lang
wusste er nicht, wie er reagieren oder antworten sollte.
Bevor Zhan Ziqian ihn weiter überreden konnte, kam Xie
Xiang herbei. „Bitte seid nicht beleidigt, Shen-Langjun. Mein Shixiong ist
besessen von der Malerei, das ist ganz normal!"
Er faltete die Hände zusammen, griff nach Zhan Ziqians Arm
und machte sich auf den Weg.
Zhan Ziqian schrie ein paar Mal auf, aber er konnte Xie
Xiang nicht überwältigen. Er konnte nur noch Shen Qiao zurufen: „Shen-Langjun,
bitte verlasst die Hauptstadt nicht überstürzt! Dieser Zhan wird bestimmt einen
Tag finden, an dem er Euch besuchen kommt!"
Shen Qiao schüttelte den Kopf und brach in Gelächter aus,
drehte sich um und stieg in die Kutsche. Er holte ein Taschentuch hervor und
hustete einen Schluck Blut hinein, wobei sich seine Miene schnell vor Müdigkeit
verfinsterte.
Die Verletzungen, die seine Schwertabsicht Duan Wenyang
zugefügt hatte, würden wahrscheinlich einen halben Monat brauchen, um zu
heilen, aber auch er war nicht ungeschoren davongekommen. Seine Vitalität und
sein Qi waren geschädigt – er hatte sich nur gezwungen, ungerührt zu wirken.
Xie Xiang muss das gemerkt haben und hat Zhan Ziqian davon
abgehalten, ihn noch länger festzuhalten.
Yan Wushi liebte den Luxus, und seine Untergebenen gingen
stets auf seinen Geschmack ein, weshalb der Innenraum der Kutsche komfortabel
und üppig dekoriert war. Shen Qiao forderte den Kutscher auf, zur Residenz des
Junior-Präzeptors zurückzukehren. Dann brauchte er seinen Zustand nicht mehr zu
verbergen und lehnte sich gegen die Kutschenwand. Sein Gesichtsausdruck war von
Erschöpfung geprägt, seine Augenbrauen waren leicht gerunzelt. Unbewusst
driftete er ab.
Seine Müdigkeit war so groß, dass er in einen tiefen Schlaf
fiel, der ihn für die Welt völlig taub machte. Als er erwachte, stellte er
fest, dass die Räder der Kutsche unter ihm noch immer klapperten, und sein Herz
sank ein wenig.
„Lao Wei, Seid Ihr das?"
Niemand antwortete, aber die Kutsche wurde langsamer, bevor
sie ganz zum Stillstand kam.
Der Kutscher blickte zurück. Obwohl die Kleidung immer noch
die von Lao-Wei war, war das Gesicht nicht mehr das gleiche: Es war schön und
hübsch, die Wangen hatten Grübchen, auch wenn kein Lächeln sie zierte.
Obwohl er den Fahrer nicht gut sehen konnte, wusste Shen
Qiao in dem Moment, in dem er sprachen, wer es war.
„Ich kann nicht die Einzige, die so denkt, aber die
Sicherheit in der Residenz Su ist viel zu lasch. Ich habe einfach Lao Weis
Kleidung angezogen, einen Hut aufgesetzt, und solange ich seine Stimme ein
wenig nachgeahmt habe, haben sie keinen Verdacht geschöpft. Es war nicht einmal
nötig, mein Gesicht zu verändern. Jeder hätte an einem solchen Ort ein und aus
gehen können. Du hast ihnen geholfen, Duan Wenyang zu vertreiben, aber ein
zweites Mal wirst du es nicht schaffen."
„Wo ist Lao Wei?", fragte Shen Qiao.
Bai Rong schmollte. „Warum kümmert sich Sektenanführer Shen
nur um einen kleinen Mann, wenn diese große Schönheit direkt vor dir steht? Wo
ist deine Sorge um mich? Tot, tot! Natürlich habe ich ihn getötet!"
Shen Qiao lächelte. „Ich habe mich falsch ausgedrückt –
diese Frage war unnötig. Bei Eurer Klugheit würdet Ihr es nicht wagen, Yan
Wushi wegen eines einfachen Kutschers zu provozieren."
Bai Rong kicherte. „Was ist schon ein Kutscher, wenn ich jemanden
wie dich entführen kann? Hast du etwa Angst, dass ich dir nicht die Wahrheit
sagen werde? Gut, gut, es hat keine Bedeutung, es dir zu sagen. Ich habe
nämlich kein Interesse daran, so einen Niemand zu töten. Ich habe ihn
niedergeschlagen und ließ ihn im Stall der Familie Su zurück. Ob er lebt oder
stirbt, ist seine Sache — es ist nicht
mein Problem, wenn er zertrampelt wird! Aber trotzdem behandelt dich Yan Wushi
nicht gerade gut. Er weiß von deiner schwachen Gesundheit, davon, dass du im
Handumdrehen Blut hustest und ohnmächtig wirst. Und trotzdem hat er nur einen
Kutscher mit dir geschickt? Hat er das kommen sehen?"
Shen Qiao schüttelte den Kopf. „Meine Beziehung zu Yan
Wushi ist nicht das, was Ihr denkt. Ihr solltet nicht weiter versuchen, mich zu
provozieren. Also, warum hat mich die kleine Bai-Nangzi den ganzen Weg hierher
gebracht?"
Plötzlich drückte sich Bai Rong an ihn, bis ihr warmer,
duftender Atem nur noch Zentimeter von ihm entfernt war. Mit einem leichten
Stirnrunzeln lehnte sich Shen Qiao unwillkürlich zurück, aber sie streckte die
Hand nach ihm aus. Da sein Bambusstock in der Su-Residenz kaputt gegangen war,
musste er sie mit bloßen Händen abwehren. Innerhalb eines Augenblicks hatten
sie sich Dutzende von Schlägen ausgetauscht.
Bai Rong schlug mit unglaublicher Geschwindigkeit zu, ihre
Hände bewegten sich durch unzählige Gesten wie eine Blume, die zum Leben
erwachte – eine Knospe, die in voller Blüte steht, bevor sie verwelkt, und das
alles in einem einzigen Atemzug. Ruhm und Niedergang, ein ganzes Leben in einem
Augenblick.
Doch ihre unvergleichlich exquisiten ‘Blauen Lotussiegel‘
wurden alle von Shen Qiao blockiert, als hätte er jede ihrer Bewegungen
vorausgesehen. Jedes Mal war er nur ein wenig schneller als Bai Rong, nie zu
früh oder zu spät.
Bai Rong hatte Shen Qiaos Kampf mit Duan Wenyang nicht
miterlebt. Ihr Eindruck von ihm war auf den schwachen, kränklichen Zustand
eingefroren, in dem er sich in der Provinz Huai befunden hatte. Als sie sah,
wie er jedes Einzelne der ‘Blauen Lotussiegel‘, auf die sie so stolz war,
abblockte, war sie wie vom Donner gerührt.
„Als ich hörte, dass du meinen Shixiong getötet hast,
konnte ich es nicht fassen", sagte sie. „Aber jetzt scheint es wahr zu
sein. Hast du deine Kampfkünste wiedererlangt?"
Als sie die Frage beendete, wich Bai Rong einem Schlag von
Shen Qiaos Handfläche aus, umkreiste ihn so, dass sie hinter ihm stand und schlug,
dann auf seinen Akupunkturpunkt. Dann schlang sie ohne Vorwarnung ihre Arme von
hinten um ihn und beugte sich vor, um in sein Gesicht zu schauen. „Mit so einem
guten Aussehen geboren zu werden, obwohl man ein taoistischer Priester ist! Du
wirst uns dämonische Praktizierende aus dem Geschäft vertreiben!" Mit
diesen Worten nahm sie sich die Freiheit, Shen Qiao auf die Nasenspitze zu
küssen.
Die Dinge entwickelten sich zu schnell. Da Shen Qiaos
Lebenskraft so stark geschädigt war, war es für ihn schon schwer gewesen, ihre
Schläge zu ertragen. Er hatte diese Taktik von ihr nicht erwartet und war
völlig verwirrt, sein Gesicht war von Erstaunen überwältigt.
Bai Rong kicherte. „Das wollte ich schon tun, als ich dich
das erste Mal sah! Heute habe ich mir endlich meinen Wunsch erfüllt!"
Sein Akupunkturpunkt war versiegelt, sodass er sich nicht
bewegen konnte. Shen Qiao gab jeden sinnlosen Kampf auf. „Was wollt Ihr?",
fragte er.
„Du hast Huo Xijing getötet und fragst mich trotzdem, was
ich will?", sagte Bao Rong. „Dieser Huo Xijing, er hat Shizun immer
angehimmelt, und sein Shizun mochte ihn wirklich. Jetzt, wo er tot ist, ist
Shizun sehr traurig, und er hat mir aufgetragen, dich zu ihm zubringen, damit
er mit dich bestrafen kann!"
Je länger sie ihn ansah, desto mehr fand sie Shen Qiao
attraktiv. Ob Mann oder Frau, jeder in der Hehuan-Sekte war schön, aber ihre
Kultivierung von Charme-Techniken zusammen mit ihrem Mangel an Skrupeln
bedeutete, dass ihre Schönheit niemals diesen Eindruck von weltfremder
Unnahbarkeit vermitteln konnte.
Wenn die Hehuan-Sekte die Sukkubus
wären, die in weltliche Begierden eintauchten und sich dem Fleisch hingeben,
dann wäre Shen Qiao eine göttliche Statue in einem Tempel, die hoch über allem
steht und weder Freude noch Ärger kennt.
Aber je ketzerischer jemand war, desto mehr wollte er diese
Statue schänden.
„Aber jetzt zögere ich ein wenig!", sagte Bai Rong
vergnügt. „Mit deinem guten Aussehen wirst du bestimmt gefoltert, wenn du in
die Hände meiner Shizun fällst. Selbst wenn du nicht stirbst, kommst du dem Tod
sehr nahe. Ich kann mich nicht mehr
genau an den Inhalt des Bandes der Verblendeten Gedanke der Zhuyang- Strategie
erinnern, als du ihn vorgelesen hast. Wenn du es mir noch einmal vorträgst,
damit wir die Notizen vergleichen können, lasse ich dich gehen! Ich werde
zurückgehen und Shizun sagen, dass ich Sektenanführer Yan nicht besiegen kann.
Wie wär's?"
„Der Xuandu-Berg hat den Band die Verlorene Wanderseele der
Zhuyang-Strategie. Da Ihr wisst, dass ich Shen Qiao bin, warum bittet
Ihr mich nicht, auch das vor Euch zu rezitieren?"
Bai Rong lachte. „Hältst du mich für eine Närrin? Ich habe
noch nie von diesem Band der Verlorenen Wanderseele gehört. Ich könnte nicht
einmal sagen, ob du die Passagen verschlüsselt hast oder einen alten Unsinn
rezitierst. Aber ich erinnere mich an den größten Teil des Bandes der Verblendeten
Gedanke nur nicht an alles. Wenn du die Dinge bei mir vertauschst, werde ich es
wenigstens wissen."
„Und was ist, wenn ich mich weigere, zu kooperieren?",
fragte Shen Qiao.
„Dann wird diese dich an Shizun ausliefern müssen",
sagte Bai Rong freundlich. „Du hast doch sicher schon von meinem Shizun, Sang Jingxing,
gehört? Er ist um ein Vielfaches grausamer als mein Shixiong, Huo Xijing. Das
Geschlecht macht für ihn keinen Unterschied, und er liebt am meisten die parasitäre
Kultivierung. Es macht ihm auch Spaß, Menschen im Bett zu quälen, bis sie dem
Tod nahe sind. Ich wage mir gar nicht vorzustellen, was mit einer Schönheit wie
dir passieren würde, solltest du in seine Fänge geraten!"
Shen Qiao seufzte. „Ihr haltet mich alle für einen
gefallenen Tiger in der Steppe. Jemanden, dem ihr alles antun könnt, als ob ich
schon gefangen und mein Schicksal schon besiegelt wäre. Glaubt ihr, ich würde
in einer solchen Situation alles auf sich beruhen lassen? Auch wenn ich nicht
herumlaufe und Menschen abschlachte, heißt das nicht, dass ich mich
abschlachten lasse!"
Bai Rong erschrak, aber bevor sie herausfinden konnte, was
Shen Qiao damit meinte, hatte er sich bereits bewegt. Sein langer, schlanker
Zeigefinger streckte sich ihr entgegen!
„Die Quellwasser-Fingertechniken? Warum kennst du die
Fingertechnik des Quellwassers?!"
Mit entsetztem Gesicht sprang Bai Rong zurück.
⇐Vorheriges Kapitel Nächstes Kapitel⇒
kap33 da hauen sich zwei die rübe ein. dann muss er wieder unseren armen shen mit rein ziehen und verächtlich über in sprechen. also ehrlich wieso müssen andere auch so blöd reden wenn sie nicht mal wissen was wirklich passiert ist. also wirklich und dann tauch er wieder auf und will sich wenn anderen mitnehemen. aber der in hindert is shen und damit hat er wieder nicht gerechnet. kap34 jetzt hat er es ihnen gezeigt und alle bekammen eine andere meinung. auch der dank der frau war sehr grosszügig. endlich kann er heim und in der kutsche überkommt es im und er schläft ein. das hat er sicher nicht erwartet das er von bai entführt wird dann ein kleiner schlag abtausch. bei dieser frau nenne ich das sexuelle belästigung. dann trifft sie auch seinen punkt das er sich nicht mehr bewegen kann und gibt im ein küsschen auf die nase. sag ich doch sexuelle belästigung. aber jetzt erschreckt sie sich weil er das macht was whusi immer tut mit seiner fingertechnik. freu mich wenns weiter geht.
AntwortenLöschenKapitel 33:
LöschenShen Qiao wird halt gefühlt von allen und jeden bekämpft oder man testet was er alles kann, der wird wohl niemals im Leben seine Ruhe haben.
Es ist echt erstaunlich wie sehr Shen Qiao über solchen Dingen, wenn er beleidigt wird, steht und dann sogar noch höflich bleibt. Wow.
Aber reden denn nicht fast alle so blöd daher? In dem Wissen mit ein paar Informationen die gesamte Bandbreite einer Situation zu erkenn ohne sich auch nur einmal zu fragen, dass das was sie zu Wissen glauben falsch oder auch lückenhaft sein könnte.
Als Duan Wenyang wieder auftauchte war es gefühlt so wie in einem Videospiel, wenn du in einem Bosskampf fast am abkratzen bist. Dann hast du es endlich geschafft ihn zu töten nur damit er doch noch einmal auftaucht. Echt nervig.
Kapitel 34:
Zum Glück lässt sich Shen Qiao nicht beirren und holt die letzten Kraftreserven hervor und kann Duan Wenyang vertreiben.
Endlich ist mal wieder jemand gut zu Shen Qiao und Frau Qin kann ihm wenigstens helfen und dann will Zhan Ziqian Shen Qiao auch noch malen. Also dieses Gemälde würde ich auf jeden Fall kaufen.
Shen Qiao kann echt überall und bei genügend Erschöpfung sofort einschlafen.
Bai Rong ist richtig verliebt in unseren Shen Qiao, ständig flirtet sie mit ihm und macht unangemessene und ungefragte Annäherungsversuche. Sie macht Yan Wushi Konkurrenz, ich frage mich ob sie beide, Yan Qushi und Bai Rong sich irgendwann mal um Shen Qiao streiten würden.
Shen Qiao hat von Yan Wushi gelernt und wendet seine Fingertechnik an, ob Yan Wushi, wenn er dass wüsste Stolz oder so wäre?