Es war ein Herbsttag.
Die Herbstwinde pfiffen über Tausende von Kilometern der
Verwüstung und Zerstörung, so weit das Auge reichte. Das Land konnte nie wieder
sein ursprüngliches Aussehen erlangen.
Qi Fengge führte sein Pferd zum Gelben Fluss und hielt an.
Letztes Jahr hatte der Gelbe Fluss die Deiche durchbrochen,
unzählige Hektar Ackerland überflutet und Tausende von Menschen obdachlos
gemacht. Und heute waren beide Flussufer kahl geschlagen. Obwohl es Dörfer gab,
waren sie weit verstreut.
Die Fluten wogten, der Wind heulte und peitschte seinen Saum
und seine Ärmel auf. Selbst sein Seufzer wurde vom Wind verweht.
Letztes Jahr eine Flut. Dieses Jahr eine Dürre. Vor dem
himmlischen Dao waren die Menschen völlig machtlos.
Um dem Pferd noch eine Weile Ruhe zu gönnen, hatte Qi Fengge
es nicht eilig, aufzusitzen und davon zu galoppieren. Stattdessen ging er
langsam zu Fuß weiter. Etliche Flüchtlinge zogen zu zweit und zu dritt an ihm
vorbei. Als sie das wohlgenährte Pferd hinter ihm sahen, flackerten ihre Augen
vor Hunger und ihre Münder füllten sich mit Speichel. Nur das Langschwert in
seiner Hand hielt sie von überstürzten Aktionen ab. Die wenigen, die vor
Verzweiflung ausgehungert waren und den Verstand verloren hatten, schenkten dem
keine Beachtung und stürzten sich auf ihn, um das Pferd an sich zu reißen.
Natürlich warf Qi Fengge sie mit einem Schnipsen seines Ärmels zu Boden.
Am Anfang, als Qi Fengge diesen Leuten begegnet war, hatte
er ihnen große Freundlichkeit entgegengebracht und sein Essen mit ihnen
geteilt. Aber langsam wurde ihm klar, dass er zwar einen Menschen retten
konnte, aber nicht alle. Und selbst wenn sie dieses Mal ihre Bäuche füllen
konnten, würden sie ohne eine zuverlässige Quelle für das nächste oder
übernächste Mal verhungern.
Wenn man diese Szene oft genug gesehen hat, werden selbst
die mitfühlendsten Herzen kalt und hart.
Qi Fengge schenkte ihnen keine weitere Beachtung. Er sprang
sofort auf sein Pferd und galoppierte los, wobei er eine Menge Staub hinter
sich ließ.
Bis zum Xuandu-Berg waren es noch einige Tage Reisezeit. Qi
Fengge hatte es nicht eilig, zurückzukehren und suchte einen Tempel auf, in dem
er die Nacht verbringen wollte.
Der Tempel war seit vielen Jahren verlassen ‒ die
Buddha-Statue war zu Boden gestürzt, und ihr Kopf war irgendwie verschwunden.
Der Kaiser von Liang hatte an den Buddhismus geglaubt, doch die Buddhas und Bodhisattvas
hatten es nicht geschafft, sein Volk zu retten. Am Ende war auch er verhungert.
Qi Fengge zündete ein Feuer an und kochte etwas Wasser. Er
hatte fast die Lichtnahrung erreicht, also war
Essen nicht mehr so wichtig. Solange über seinem Kopf Kacheln lagen, konnte er
die Nacht meditierend verbringen, und das wäre die einzige Ruhe, die er
brauchte.
Ein leises Geräusch kam von hinter der Säule.
Jemand anders hätte es vielleicht nicht bemerkt, aber Qi
Fengge war etwas erstaunt. Mit seinem Gehör hätte er die Person in dem Moment
entdecken müssen, in dem er eingetreten war, also war entweder ihr Atem zu
schwach oder diese versteckte Person war ein mächtiger Kampfkünstler.
„Dieser Hier ist Qi Fengge. Darf ich fragen, welcher Daoyou
das ist?"
Nach einer Zeit des Schweigens, ohne eine Antwort zu
erhalten, erhob sich Qi Fengge und ging hinüber. Dort stellte er fest, dass
sich hinter der Säule ein großes Tongefäß befand.
Er hob die Kalksteinplatte an, die ihn bedeckte, und sein
Blick traf zufällig auf ein anderes Augenpaar.
Die andere Partei war ein Kind.
Qi Fengge senkte seine Stimme: „Wie heißt du?"
Keine Antwort.
Qi Fengge griff hinein und wollte das Kind hoch und hinaus
tragen, als plötzlich ein Schmerz in seinem Handrücken aufflackerte. Der
Sektenanführer des Xuandu-Berges, dem sich Außenstehende nicht einmal nähern
konnten, war von einem Kind gebissen worden.
Er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Der Biss
hatte Blut auf seinen Handrücken gespritzt. Fäden von Blut sickerten heraus,
und ein feuriger Schmerz erfüllte seine Hand.
Qi Fengge versiegelte die Akupunkturpunkte des Kindes, dann
hob er es heraus. Er erkannte, dass der Junge höchstens vier oder fünf Jahre
alt war, er war klein und mager. Sein ganzes Gesicht war mit Schmutz
verschmiert, sogar sein Haar war offen und verfilzt. Die Angst stand ihm
deutlich in den Augen.
„Hab keine Angst. Ich bin kein schlechter Mensch."
Er wusste nicht, ob der Junge zuhörte, aber Qi Fengge hatte
es nicht eilig, seine Akupunkturpunkte zu entsiegeln. Zuerst riss er einen
Zipfel seiner Robe ab, dann goss er heißes Wasser ein, um sie zu waschen.
Nachdem er das Tuch ausgewrungen hatte, wischte er damit das Gesicht des Jungen
ab.
Als das Gesicht des Jungen nach und nach sauberer wurde,
konnte Qi Fengge nicht umhin, einen überraschten Laut von sich zu geben. Das
Kind war zwar zerbrechlich, aber nach dem schönen Gesicht und den zarten Händen
zu urteilen, die noch nie einen Tag Arbeit gesehen hatten, war es
offensichtlich, dass das Kind aus guten Verhältnissen stammen musste.
„Wie heißt du? Weißt du noch, wo dein Haus steht? Ich bringe
dich zurück zu deinen Eltern."
Vielleicht hatte Qi Fengges Haltung den Jungen besänftigt,
denn selbst nachdem er seine Akupunkturpunkte gelöst hatte, schrie das Kind
nicht und floh nicht. Er blieb einfach still und antwortete auf keine der
Fragen von Qi Fengge, bis er das ihm angebotene Fladenbrot nahm und es anknabberte.
Erst dann sagte er schwach: „Wasser ..."
„Du weißt also, wie man spricht." Qi Fengge lächelte
und reichte ihm etwas Wasser, „Trink langsam und achte darauf, nicht zu schnell
zu essen, sonst bekommst du Blähungen."
Der Junge war sehr gut erzogen. Obwohl er schon lange
hungrig war, ließ er mehr als die Hälfte des Fladenbrots übrig und gab es Qi
Fengge zurück. Qi Fengge vermutete, dass das Kind aus einem wohlhabenden
Elternhaus stammen musste, und sein Herz schmolz noch ein wenig mehr dahin. „Du
kannst es behalten. Iss es, wenn du wieder hungrig wirst."
Die Nacht wurde dunkler und der Tau schwerer. Das Kind
lehnte sich unwillkürlich näher an das Feuer, und Qi Fengge zog seine Robe aus
und legte sie über seinen kleinen Körper, doch der Junge versuchte, sie zu
vermeiden, während er flüsterte: „Schmutzig ..."
Qi Fengge wickelte ihn in die äußere Robe, dann hob er den
Jungen einfach hoch und hielt ihn in seinen Armen: „Es macht mir nichts aus,
schmutzig zu werden."
Diese warme Umarmung hatte der Junge nicht mehr gespürt,
seit er von zu Hause weggegangen war, und jetzt war es, als wäre er in die Arme
seiner Eltern zurückgekehrt. Er glaubte fast, die leisen Töne der liebevollen
Neckerei seiner Mutter zu hören. Unbewusst ließ er seine Deckung fallen und
schloss die Augen, dann glitt er in das Land der Träume.
„Hier gibt es einen kaputten Tempel! Komm schnell! Jetzt
können wir uns vor dem Wind schützen! Verdammt, dieser stinkende Himmel. Es ist
noch nicht einmal Winter und die Winde sind schon so heftig!"
„Heftige Winde sind kein Problem. Was wirklich unheimlich
ist, ist, dass es im Umkreis von Dutzenden von Kilometern nichts zu essen gibt!
Wir wissen nicht einmal, ob wir es noch rechtzeitig schaffen, wenn wir
weitergehen!"
„Die drei dämonischen Sekten halten eine Versammlung ab. Das
ist wirklich einmalig! Vielleicht können wir auch ..."
Die Stimmen kamen immer näher und weckten das Kind. Es kroch
in Qi Fengges Arme und spähte hinaus. Zwei große Männer kamen herein, einer
nach dem anderen. Ein Windhauch wirbelte mit ihnen von draußen herein und ließ
die Flammen einen wilden Tanz aufführen.
Sie hatten den Feuerschein schon von außen gesehen und
wussten, dass sich im Tempel Menschen aufhielten; deshalb waren sie absichtlich
gekommen. Menschen bedeuteten Nahrung.
Drinnen war ein daoistischer Priester mit einem schüchternen
kleinen Kind. Als die beiden Männer das sahen, waren sie überglücklich. Obwohl
sie wussten, dass dieser Daoist aus der Jianghu stammte, war er nur eine Person
‒ und nur eine Person zu sein, bedeutete, dass er schwach war.
Die beiden Männer schritten herein. „Draußen ist es zu
windig, deshalb sind wir hereingekommen, um Schutz zu suchen und uns am Feuer
zu wärmen. Daozhang hat doch nichts dagegen, oder?"
„Mir gehört dieser Ort nicht", sagte Qi Fengge, „Bitte,
machen sie nur weiter."
Es sah so aus, als wäre auch diese Person leicht zu
überreden. Die beiden Männer tauschten einen Blick aus und setzten sich dann.
Wu Wenguang sagte: „Dutzende von Meilen liegen vor uns, und
es gibt nur wenige Dörfer in der Umgebung. Hat der Daozhang ein bestimmtes Ziel
vor Augen?"
„Ich wollte gerade nach Hause gehen", antwortete Qi
Fengge, „Ich bin nur auf der Durchreise hierher."
Ji Chunzhai lachte. „Daozhang ist also nicht auf dem Weg zur
Versammlung der drei dämonischen Sekten?"
Qi Fengge lächelte, antwortete aber nicht.
Die Mägen der beiden Neuankömmlinge knurrten vor Hunger. Da
es ihnen nicht gelang, Informationen über Qi Fengges Herkunft zu erhalten,
hörten sie auf, um den heißen Brei herumzureden: „Wir haben auf unserer ganzen
Reise gesucht, aber wir haben in keinem der Dörfer Küchenrauch aus den
Schornsteinen gesehen. Wenn Daozhang irgendwelche Vorräte hat, könnte er sie
mit uns teilen? In Zukunft werden wir es euch auf jeden Fall doppelt zurückzahlen."
Qi Fengge antwortete kühl: „Ich habe nichts."
Er brauchte nichts mehr zu essen; er war praktisch in der
Lage, wie ein Unsterblicher nur von Wind und Tau zu leben. Das einzige Fladenbrot,
das er bei sich hatte, hatte er dem Kind in seinen Armen gegeben.
Ji Chunzhai verdrehte die Augen. Anstatt enttäuscht zu
schauen, lächelte er stattdessen. „Wenn man sich diesen Jungen ansieht, sieht
er nicht aus wie ein Schüler von Daozhang oder ein Verwandter. Habt Ihr ihn
zufällig auf dem Weg getroffen? Wie wäre es, wenn wir ein Geschäft abschließen:
Verkauft uns das Kind, und wir bezahlen euch reichlich mit Silber."
Er zog eine Silberkugel aus seinem Ärmel und warf sie hinüber. Sie landete
direkt vor Qi Fengge. Qi Fengge sah sie nicht einmal an. „Was wollt Ihr von
ihm?"
„Das geht Euch nichts an!", sagte Wu Wenguang
ungeduldig.
Qi Fengge hob die Brauen. „Wollt Ihr ihn in Hegulan
verwandeln?"
In solch turbulenten Zeiten war es nicht unüblich, Menschen
als Nahrung zu verzehren. Wenn es um die Opfer ging, oder "zweibeinige
Schafe", wie sie genannt wurden, war das Fleisch von Kindern zart und
leicht zu kochen, ihr Geschmack war hervorragend, daher der Name
"Hegulan" oder "sanfte und zarte Knochen".
Es war unklar, ob der Junge sie verstehen konnte oder ob er
einfach Angst vor diesen beiden bösartigen Männern hatte. Er klammerte sich
fest an Qi Fengges Arme, sein Gesicht in Qi Fengges Robe gedrückt, zu
ängstlich, um den Kopf zu heben.
Qi Fengge beruhigte ihn sanft: „Hab keine Angst. Ich werde
dich nicht ausliefern."
Wu Wenguang gab ein kaltes Brummen von sich: „Überlegt es
Euch gut. Solche Jungen gibt es überall. Unsere Hehuan-Sekte seinetwegen zu
verärgern ‒ ist es das wirklich wert?"
„Damals hat selbst Cui Youwang nicht gewagt, so mit mir zu
sprechen", sagte Qi Fengge kühl, „Es scheint, als ob die Riyue-Sekte
wirklich bei allem, was sie tut, einen Rückschritt macht. Sie hat sich nicht
nur zersplittert, sondern wird immer schwächer und nimmt einfach jeden auf!"
Am Anfang, als er zurückhaltend gewesen war, hatte er nur
wie ein gewöhnlicher daoistischer Priester ausgesehen. Höchstens sein Auftreten
wirkte vielleicht ein wenig besonders. Aber als er diese Worte sprach, wurde
seine Aura plötzlich stark und gebieterisch.
Leider dauerte die Überraschung von Wu Wenguang und Ji Chunzhai
nur einen kurzen Moment, und sie ließen sich von seinen Worten nicht
einschüchtern. Stattdessen stießen sie ein hässliches Lachen aus. „Ihr habt
Mut! Dann brauchen wir nicht mehr viele Worte an euch zu verschwenden. Wir
werden euch beide heute fangen und zubereiten. Das spart uns sogar noch etwas
Geld!“
Sie sprachen noch, als die Gestalt von Wu Wenguang vor Qi
Fengge auftauchte. Er bewegte sich blitzschnell, mit außerordentlicher
Geschwindigkeit, krümmte seine Finger zu Krallen wie ein Adler, der seine Beute
verfolgt, und ließ seine Hand auf Qi Fengges Kopf nieder.
Der kleine Junge in Qi Fengges Armen spürte nur, wie ein böser
Wind wehte. Er wollte den Kopf heben, aber es war, als würden ihn tausend Pfund
von oben erdrücken ‒ er konnte seinen Kopf keinen Zentimeter heben.
„Hab keine Angst."
Es sah so aus, als würde Qi Fengge sein Leben durch Wu Wenguangs
‚Unterwelt-Klauen‘ verlieren, doch er hatte noch die Muße, andere zu trösten!
In den Augen von Wu Wenguang war Qi Fengge bereits ein toter Mann.
Seine Fingerspitzen hatten fast Qi Fengges Haarknoten
berührt. Aber es war nur "fast".
Weißes Licht blitzte vor seinen Augen auf. Wu Wenguang war
noch nicht einmal in der Lage zu erkennen, was geschah, als ein Schmerz in
seiner Brust ausbrach. Im nächsten Moment wurde sein Körper zurückgeschleudert,
völlig außerhalb seiner Kontrolle. Nur einen Augenblick später krachte er
schwer auf den Boden.
Schmerz durchzog seinen Rücken, und sein Gesicht war noch
immer in seinem früheren Ausdruck der entsetzten Überraschung erstarrt. Er
hatte nicht einmal die Zeit gehabt, ihn zu ändern.
Der in der Nähe befindliche Ji Chunzhai, der sich das
Spektakel in aller Ruhe vom Rand aus angesehen hatte, merkte nun, dass es nicht
gut aussah. Sofort zog er sein Schwert und stürmte auf Qi Fengge zu.
Seine Bewegungen waren schnell, seine Gestalt wie Rauch,
während sein Schwert gleißend wie ein Regenbogen aufblitzte. Wenn die Leute vom
Liuli-Palast auf der Fangzhang-Insel seine Schwertkunst bewerten würden, würden
sie sagen, dass seine Fähigkeiten zwar nicht für die zehn Besten ausreichten,
er aber dennoch ein Anwärter auf den Rang eines Schwertmeisters wäre. Es war
offensichtlich, dass Ji Chunzhai kein mittelmäßiger Schwertkämpfer war.
Ji Chunzhai war in der Tat recht zufrieden mit seinem
Schwertkampf. Er war der Meinung, dass dieser Hieb zwar nicht seine volle Kraft
nutzte, aber etwa neun Zehntel davon, und dass dies mehr als genug war, um mit
dem Daoisten vor ihm fertig zu werden.
Doch sein Lächeln gefror plötzlich auf seinem Gesicht.
Denn gerade als sein Schwertlicht die Kleidung des anderen
Mannes berühren wollte, stoppte er plötzlich an Ort und Stelle. Oder vielleicht
sollte man sagen, dass sein ganzer Körper zusammen mit seinem Schwert von einer
unsichtbaren Kraft an Ort und Stelle festgehalten wurde.
Es dauerte nur einen Augenblick, aber es reichte aus, dass
Ji Chunzhai aussah, als hätte er einen Geist gesehen.
Im nächsten Moment wurde auch er, wie Wu Wenguang,
zurückgeschleudert, und ein stechender Schmerz drang aus seinen beiden
Handgelenken hervor.
Qi Fengge erhob sich. Er trug den Jungen in einem Arm,
während er mit dem anderen sein Schwert in die Scheide steckte. „Ihr verdient
es nicht, das Schwert zu benutzen", sagte er zu Ji Chunzhai.
Ji Chunzhai war von Abscheu und Wut erfüllt ‒ er war kurz
davor, Blut zu erbrechen. „Die ... die Sehnen ... Meine Hand!"
Die Sehnen seiner Hände waren durchtrennt, und selbst wenn
sie wieder verbunden werden könnten, würde er nie wieder die gleiche
Beweglichkeit erlangen. Das bedeutete, dass er nie wieder den Gipfel des
Schwertkampfes erklimmen konnte.
Zu diesem Zeitpunkt ertrank auch Wu Wenguang in Bedauern.
Hätten sie gewusst, dass dieser Mann so schwierig zu handhaben war, hätten sie
diesen verfallenen Tempel nie betreten!
„Wir waren zu blind ... Wir bitten den Dao. Daozhang um
Gnade!"
Qi Fengge reichte dem Kind in seinen Armen das Schwert. Das
Kind nahm es an, als wäre es für ihn eine Selbstverständlichkeit, und hielt es
in seinen Armen, als wäre es etwas Wertvolles. Qi Fengge befreite seine andere
Hand und schlug sie mit einem leichten Schlag auf den Kopf von Wu Wenguang.
Wu Wenguangs Augen wurden groß. Er hatte angenommen, dass
der Mann ihn töten würde, aber einen Moment später verwandelte sich sein
Schrecken in extreme Wut: „Du wagst es, meine Kampfkünste zu zerstören?!"
Qi Fengge sagte: „Ihr beide wollt Menschen essen",
sagte Qi Fengge, „Aber da ihr dieses Mal keinen Erfolg hattet, habe ich Eure
Kampfkünste zerstört, damit ihr in Zukunft nicht noch mehr Unheil anrichten
könnt."
Während er sprach, machte er Anstalten, auch Ji Chunzhais
Kampfkünste zu zerstören, als ein luftiges Kichern von draußen hereindrang: „Er
ist ein mittelmäßiger Kampfkünstler. Nur seine Schwertkünste sind einigermaßen
akzeptabel. Da Qi-Zhangjiao die Sehnen seiner Hände durchtrennt hat, sollte das
ausreichen. Warum etwas Unnötiges tun?"
Mit diesen Worten wehte eine kühle Brise, die Ji Chunzhai
einige Schritte zurückwarf und Qi Fengge verfehlte.
Die Augen des Jungen verdrehten sich, als er sah, wie der
junge Mann, der scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht war, sich plötzlich einen
Schlagabtausch mit dem Priester lieferte, der ihn trug, wobei ihre Roben
flatterten und tanzten. Er lag zwischen den beiden und beobachtete sie, völlig
geblendet. Er konnte überhaupt nicht erkennen, was die beiden taten. Kurze Zeit
später trennten sich die beiden Männer plötzlich und landeten fest auf dem
Boden.
Der junge Mann sprach sein Lob aus: „Qi-Zhangjiao trägt ein
Kind und sein Schwert wurde nicht gezückt, und doch konnte ich nicht die
Oberhand gewinnen. Wenn dieses Kind Euch nicht zu Boden gezogen hätte, hätten
wir uns nach Herzenslust duellieren können."
„Als ich in Yan-Gongzis Alter war", sagte Qi Fengge, „besaß
ich nicht einmal die Hälfte seiner Kraft. Mit der Zeit wird die neue Generation
die alte ablösen. Die Jianghu der Welt wird dann von deiner Generation
abhängen."
„Der Xuandu-Berg ist die bedeutendste daoistische Sekte der
Welt, doch steckt ihr in euren alten Gewohnheiten fest und konzentriert euch
nur darauf, eure Tore zu bewachen. Was hat es für einen Sinn, dass ihr die
Nummer eins seid?", er schnaubte, „Sogar ich fühle mich euretwegen trübsinnig!"
Yan Wushi war ein unglaublich gut aussehender Mann, seine
Züge waren fast schon schön, aber er trug ein Gefühl himmelhoher Arroganz in
sich. Das machte seine Ausstrahlung noch Furcht einflößender und noch
außergewöhnlich kraftvoll.
Qi Fengge lächelte. „Jedem das seine."
Er hatte bereits erkannt, dass die Persönlichkeit dieses
Mannes in Verbindung mit seinen erstaunlichen Talenten ihn wahrscheinlich zu
einer Persönlichkeit machen würde, die die Welt erschüttern konnte.
Der Weg zu einem Buddha, der Weg zu einem Dämon. Nur eine
feine Linie trennte die beiden. Dieser Mensch gehörte der dämonischen Disziplin
an, also konnte er natürlich kein Buddha werden. Aber im Moment war die
buddhistische Disziplin in ihre Interessen verwickelt, die mit den Höfen und
der Welt der Sterblichen zu tun hatten, also waren sie auch nicht so edel und
tugendhaft. Mit der Hinzufügung eines solchen Charakters würden diese
stürmischen Zeiten nur noch unruhiger werden, und das gemeine Volk würde nur noch
mehr leiden.
Qi Fengge seufzte innerlich.
Yan Wushi sagte: „In der Vergangenheit hatte Ji Chunzhai
etwas mit Cui Youwang zu tun. Da ich Cui Youwang einen Gefallen schulde, möchte
ich, dass er sein Leben behält."
Qi Fengge nickte. Er hatte nicht die Absicht, die Dinge zu
erschweren. „Ich habe seine Sehnen bereits durchtrennt. Wenn er mir garantiert,
dass er in Zukunft keine unschuldigen Zivilisten mehr angreifen wird, werde ich
ihm nichts mehr antun."
Inzwischen hatte Ji Chunzhai durch ihr Gespräch bereits
erkannt, wer Qi Fengge war. Seiner Meinung nach hatten er und Wu Wenguang
wirklich mehr als Pech, denn warum sollten sie sonst auf den stärksten
Kampfkünstler der Welt treffen? Auch wenn sie es sich nicht leisten konnten,
ihn zu provozieren, so konnten sie sich doch zumindest vor ihm verstecken. Sie
hatten schon Glück, dass sie mit dem Leben davonkamen; wie konnten sie da noch
verhandeln? Sofort schwor er einen Eid auf den Himmel, dass er nie wieder einem
Menschen das Leben nehmen würde.
Yan Wushi lächelte leise. „Vielen Dank an Qi-Zhongjiao, dass
er mir da Gesicht gerettet hat. Wenn eines Tages einer Eurer Schüler in
Schwierigkeiten gerät, wird die Huanyue-Sekte auch ihm unsere Hilfe anbieten ‒
einmal.“
Wie konnten die Schüler der bedeutendsten daoistischen Sekte
der Welt so leicht in Schwierigkeiten geraten? Aber Yan Wushi hatte es auf eine
Weise gesagt, die völlig vernünftig klang.
Qi Fengge war ein wenig erstaunt. „Ich habe vorhin von ihnen
gehört, dass es drei dämonische Sekten gibt, und ich war verwirrt, als ich
erfuhr, dass eine neue Sekte aufgetaucht ist. Yan-Gongzi hat also bereits seine
eigene Sekte gegründet. Ich gratuliere."
Yan Wushi hatte die Bedeutung des Wortes
"Bescheidenheit" nie gekannt. Als er dies hörte, nickte er: „Vielen
Dank."
Da es keine gemeinsamen Themen gab, war es sinnlos, sich
weiter zu unterhalten. Qi Fengge und Yan Wushi waren Zufallsbekanntschaften
ohne nennenswerte Beziehung. Qi Fengge sah zu den ersten Schimmern der
Morgendämmerung auf und machte sich dann auf den Weg, den Jungen immer noch auf
dem Arm.
„Wenn sich in Zukunft die Gelegenheit ergibt, werde ich auf
jeden Fall den Qi-Zhangjiao um Rat fragen", Yan Wushi schickte einen
gemächlichen Blick auf das Kind in seinen Armen, „Der Junge hat eine
bemerkenswerte Begabung. Wenn Qi-Zhangjiao ihn nicht als seinen Schüler
annehmen will, warum überlässt er ihn dann nicht mir?"
Qi Fengge hob eine Augenbraue. Nachdem er eine Nacht mit dem
Jungen verbracht hatte, war er ihm bereits sehr ans Herz gewachsen und dachte
darüber nach, ihn als Schüler aufzunehmen. Jetzt, wo jemand versuchte, ihm das
zu nehmen, was er liebte, war er natürlich verärgert. „Yan-Zongzhu braucht sich
nicht einzumischen. Lebt wohl."
„Passen Sie auf sich auf, Qi-Zhangjiao."
Yan Wushi lächelte, die Hände hinter dem Rücken verschränkt,
während er Qi Fengge beim Gehen zusah. Dann zog er sein Lächeln zurück, als
sein Blick auf die beiden fiel, die versucht hatten, Qi Fengge anzugreifen.
Als sie seinem eisigen Blick begegneten, fühlten sie, wie
ihre Herzen erkalteten. Obwohl dieser Mann jung war, kannten alle dämonischen Praktizierenden
den Namen Yan Wushi. Keiner wagte es, auf ihn herabzusehen.
Währenddessen trug Qi Fengge den Jungen aus dem Tempel. Nach
einer Nacht mit heftigen Stürmen hatte der Wind endlich aufgehört. Ein
schwacher Glanz lugte durch die Wolkenschichten, als ob er versprach, dass der
kommende Tag ein strahlender Tag werden würde.
Als Qi Fengge sah, wie der Junge seine Revers umklammerte, einen
Blick gebannt und unbeweglich, musste er lachen. „Keine Angst, ich lasse dich
nicht im Stich. Willst du mit mir zurückgehen? Ich lebe oben auf dem Berg. Du
wirst dort viele Shixiongs und Shidis in deinem Alter haben, und du kannst mich
als deinen Meister akzeptieren und mich Shizun nennen."
„Shizun!" Das Kind sprach ihn ohne das geringste Zögern
an ...
„Guter Junge", Qi Fengge tätschelte ihm den Kopf. „Ich
hätte fast vergessen zu fragen. Erinnerst du dich noch an deinen Namen?"
„Shen ..."
„Shen und?
Das Kind dachte angestrengt nach, den Finger im Mund. „Qiao ...
Qi Fengge war unglaublich geduldig: „Welches 'Qiao'?“
Das Kind schüttelte verwirrt den Kopf. Es war noch jung und
hatte eine lange Zeit des Kriegschaos durchlitten, so dass es sich nicht
erinnern konnte.
Qi Fengge setzte ihn ab. Den Arm um den Jungen gelegt, zog
er sein Schwert über den Boden und benutzte die Scheide, um das Zeichen ‘Qiao‘
zu schreiben.
„Dann nehmen wir das hier. Wie wäre es damit?"
Der Ausdruck des Jungen war perplex und zwiespältig. „Zu
schwer ..."
Qi Fengge lachte. „Es ist nicht schwer. Hier, ich werde es
dir beibringen."
Er hielt die Hand des Jungen und zeigte ihm jeden einzelnen
Strich. Das Zeichen "Qiao" war dort in den Sand geätzt, gerade und
sauber.
„Die hundert Götter besänftigt er, die Gipfel und Flüsse
nehmen alle teil. Ich hoffe, dass du in der Zukunft jemand wirst wie die Bergspitzen
und Gipfel, ein Mann mit breitem Verstand und Herz."
Erklärungen:
Lichtnahrung: In Wuxia können Kampfkünstler, die diese Stufe der inneren Kultivierung erreicht haben, mit sehr wenig Nahrung auskommen.
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Wer hätte gedacht, dass sich Shen Qiao und Yan Wushi ihre Wege so früh schon gekreuzt haben Aber ich greife vor. Es ist eine mehr als schwere Zeit, die die Menschen durchmachen und klein Shen Qiao hat es da nicht viel leichter. Sein Glück war, das Qi Fengge ihn entdeckt und beschützt hat. Auch wenn er erstmal zugebissen hatte, aber er hat sich ja auch nur schützen wollen, nicht ahnend, das ihm eigentlich nur geholfen werden wollte. Qi Fengge hat ihn schnell in sein Herz geschlossen und beschützt. Als Yan Wushi auftauchte und in Shen Qiao eine bemerkenswerte Begabung sah, wollte er da schon Shen Qiao haben. Jahre später hat er ihn ja dann an seiner Seite XD Aber der Schluss war sehr süß, als Qi Fengge nach Shen Qiao seinem Namen fragte und wie dieser zu seinem Namen dann kam.
AntwortenLöschenUnd auch schon damals hatte Yan Wushi ein so großes Interesse an Shen Qiao.
LöschenLeider mussten die Leute auch schon vor so vielen Jahren so viel Elend durchmachen und erst am Ende dieser Geschichte können die Leute kurz verschnaufen.
Shen Qiao wusste sich auch selbst im jungen Alter zu wehren, nur leider helfen ihm seine Methoden im Erwachsenenalter recht wenig bei Yan Wushi.
Ich liebe es, dass wir diesmal viel mehr von Qi Fengge sehen und auch seinen Charakter kennenlernen dürfen. Jetzt kann man es verstehen, warum Shen Qiao Qi Fengge so sehr verehrt und liebt.
Ich fand es auch amüsant, dass die Namensdebatte von Shen Qiaos Namen auch schon so früh begonnen hat. Immerhin hatte Shen Qiao diese Gespräche, welche Schriftzeichen für seinen Namen verwendet werden, schon mit diversen Leuten geführt.