Kapitel 33

Es gab vier Stufen des Schwertes: Schwertqi, Schwertabsicht, Schwertherz und Schwergeist.

Wenn Laien das Schwertqi selbst sahen, war das nur die erste Stufe, wenn es darum ging, die Stufen des Schwertes zu betreten.

Natürlich konnte nicht jeder die erste Stufe des Schwertqis erreichen. Manche Menschen verbrachten ihr ganzes Leben mit dem Versuch und schafften es dennoch nicht, das Tor zu durchschreiten, da sie nicht in der Lage waren, den Weg hinein zu erahnen. Und noch mehr Menschen verließen sich auf feste Bewegungen, um ihre Feinde zu besiegen. Nur durch Yan Wushis unnachgiebigen Druck, der Shen Qiao an die Schwelle des Todes brachte, war es Shen Qiao selbst möglich, sich am sicheren Untergang vorbei zu kämpfen und wieder Einblick in die Schwertabsicht zu bekommen.

Und doch hatte Li Qingyu es geschafft, die Stufe der Schwertabsicht in einem so jungen Alter zu erreichen. Die Unermesslichkeit seiner Kampfkunst war offensichtlich.

Aber da er die Schwertabsicht erst vor wenigen Augenblicken durchbrochen hatte, war er damit noch nicht vertraut. Hätte er sie damals im Xuandu-Berg durchgebrochen, hätte er vielleicht nicht um einen halben Schritt gegen Yu Ai verloren.

Alles in allem sahen alle Li Qingyu mit neuen Augen an, als die Worte ‘Schwertabsicht‘ ausgesprochen wurden.

Yi Pichen war bereits einer der zehn besten Kultivierer der Welt, und jetzt war da auch noch Li Qingyu. Es sah so aus, als sei der Aufstieg des Chunyang-Klosters unaufhaltsam.

Duan Wengyan gab sich nicht mit der Niederlage ab. Auch wenn er nicht sofort erkennen konnte, welches der ‘Nachbilder‘ der wahre Li Qingyu war, entschied er sich nicht dafür, sie auszusortieren. Stattdessen schlug er mit seiner Peitsche auf den Boden und nutzte die daraus resultierende Kraft, um hoch in die Luft zu einem Ast über ihm zu springen. Seine Peitsche schlang sich um den Ast, während er mit der Fußspitze absprang und sich auf Li Qingyu zustürzte. Der dichte Schleier des schwarzen Schattens, den seine krachende Peitsche hinterließ, hüllte die Nachbilder vollständig ein!

Bevor er Li Qingyu erreichte, verschluckten sein wahres Qi und die Masse der schwarzen Schatten alles. Unabhängig davon, welches Nachbild das wahre war, musste Li Qingyu das von Duan Wenyang errichtete Bollwerk gewaltsam durchbrechen, um wieder in die Offensive zu gelangen.

Duan Wenyangs wahres Qi und seine innere Kultivierung entsprachen genau dem Eindruck, den er auf andere machte: eigensinnig und sorglos, aber auch stark und gebieterisch. Es schien überall gleichzeitig zu sein, aber es war auch wie ein Abgrund aus purem Eis, unbeweglich fest, oder wie eine Antilope, die hoch in die Luft sprang und keine Spuren hinterlässt. Es gab keinen Ort, in den er nicht eindringen konnte, und keine Methode, die sich ihm entgegenstellen konnte.

Sein wahres Qi riss die Blätter des Hofes von den Zweigen und zog sie in einen Strudel, der die beiden Kämpfer umgab und sie völlig einhüllte, so dass die anderen nicht mehr sehen konnten, wie der Kampf verlief.

Es war unmöglich, zu sagen, welche Emotionen die beiden jetzt hatten, aber die Zuschauer waren unglaublich ängstlich.

Die Mitglieder des Chunyang Klosters wussten, dass Li Qingyu kein leichtes Ziel war, aber sie fürchteten dennoch, dass etwas Unvorhergesehenes passieren könnte. Vor allem Su Qiao, der selbst gegen Duan Wenyang gekämpft hatte, kannte die Macht von Duan Wenyang besser als er. Ob sein Shidi diesen Kampf gewinnen konnte oder nicht, war noch ungewiss.

Wenn Duan Wenyang Li Qingyu besiegen würde, war es unwahrscheinlich, dass es jemand anderes mit ihm aufnehmen konnte. Wenn das geschah, war es nicht das Hauptproblem, ob Duan Wenyang Su Wei's Cousine und ihren Mann ausschalten konnte oder nicht - sobald die Nachricht die Runde machte, würde das Ansehen der Kök-Türken weiter Steigen und das der Zentralebene schwinden. Dies war wahrscheinlich auch der Grund, warum Duan Wenyang sich entschlossen hatte, heute einen Angriff zu starten.

Gerade als Su Wei in Gedanken versunken war, erstarrten die Blätter, die um die beiden Kämpfer herumwirbelten, und fielen eines nach dem anderen zu Boden.

Die beiden standen sich Auge in Auge gegenüber. Li Qingyu stand immer noch da, wo er vorher gestanden hatte, aber das Schwert, das er in der Hand gehalten hatte, lag ein Stück entfernt, während Duan Wenyangs Peitsche immer noch fest in seiner Hand lag.

Ihr Teint war unauffällig, und es gab keine sichtbaren Anzeichen von Verletzungen bei beiden. Li Qingyus Gesichtsausdruck war ausdruckslos, Duan Wenyang sah genauso aus wie zuvor.

Als die Menge dies sah, war sie etwas verwirrt.

Dann stieß Duan Wenyang ein übermütiges Lachen aus und spuckte zuerst. „Li-Gongzis Ruhm ist in der Tat wohlverdient, seine Erfolge werden sicherlich grenzenlos sein. Dieser Duan gesteht seine Niederlage bereitwillig ein!"

Li Qingyu seufzte langsam: „Meine Fähigkeiten sind minderwertig. Es gibt nichts, was ich dazu sagen kann."

Als sie das hörten, waren alle fassungslos. Sie sahen Duan Wenyang an und blickten dann wieder zu Li Qingyu.

Einer der beiden räumte seine Niederlage ein, während der andere sagte, dass seine Fähigkeiten unterlegen seien. Wer genau hatte gewonnen und wer hatte verloren?

Duan Wenyang lachte. „Ich kam eigentlich wegen Yuan Xiongs Familie hierher und hätte nie gedacht, dass ich die Chance bekommen würde, mit dem renommiertesten aufstrebenden Nachwuchstalent der Gegenwart zu kämpfen. Wenigstens war dieses Mal meine Reise nicht umsonst!"

Xie Xiang mischte sich ein: „Wenn Duan-Xiong noch weitermachen möchte, ist die Linchuan Akademie bereit, auch Euch zu beschäftigen."

Duan Wenyang sah sich um, dann verschränkte er die Hände hinter dem Rücken. „Und was kann die Linchuan Akademie tun?", fragte er unwillkürlich. „Ihr könnt mich nicht besiegen - lasst stattdessen Ruyan Kehui selbst kommen. Ich habe gehört, dass sich hier viele große Helden versammelt haben: Die Linchuan Akademie, das Chunyang Kloster, die Liuhe Gilde, alle berühmt und bewundert, ich habe ihnen einen offiziellen Besuch abgestattet, aber es scheint, dass ihr Ruhm unverdient ist, und die Gerüchte voller Übertreibung. Von allen, die heute hier sind, ist nur Li-Gongzi würdig, mein Gegner zu sein. Der Rest ist nur Mittelmaß.“

Dann hielt er inne, bevor er fortfuhr: „Ah, das hätte ich fast vergessen. Es gibt auch noch einen anderen, aber das war, bevor Ihr gegen meinen Shidi verloren habt. Der jetzige Shen Qiao ist nur ein zahnloser Tiger. Ihr Leute von der Zentralebene habt ein Sprichwort ... so etwas wie 'sogar Hunde können einen Tiger in den Ebenen herumschubsen'. In Eurem Zustand könnt Ihr nicht zum Xuandu Berg zurückkehren und seid gezwungen, Euch auf den Schutz von Sektenanführer Yan zu verlassen. Ihr seid nicht einmal ein streunender Hund! Wenn ich an Eurer Stelle wäre, hätte ich mich schon längst aus Scham umgebracht. Wie könnt Ihr noch das Gesicht haben, um in dieser Welt zu leben?"

Obwohl er lächelte, war sein Blick, als er Shen Qiao ansah, unvergleichlich kalt und gleichgültig.

Es war ganz offensichtlich, dass Shen Qiao in seinen Augen kein potenzieller Gegner mehr war, sondern ein unbedeutender Passant oder sogar Abschaum.

Puliuru Jian fühlte, dass er diese Art von öffentlicher Züchtigung nicht hätte ertragen können, wenn er derjenige gewesen wäre, der sie erleiden musste. Aber Shen Qiao stand nur da, mürrisch und fügsam, Kopf und Wimpern gesenkt. Es war, als hätte er nichts gehört oder als wäre er im Stehen eingeschlafen. Dieses Maß an Nachsicht und Zurückhaltung rief zwar Bewunderung, aber auch Verachtung hervor.

Xie Xiang konnte den Spott von Duan Wenyang über Shen Qiao gelassen hinnehmen, aber nicht, dass er die Lichuan Akademie als wertlos bezeichnete. Er konnte nicht so tun, als ob er nicht gehört hätte, wie Duan Wenyang gesprochen hatte, als ob nur das Chunyang Kloster würdig genug wäre, sein Gegner zu sein, und alle anderen völlig unter seiner Würde wären. Er stieß ein spöttisches Lachen aus, das kurz vor dem Ausbruch stand.

„Duan Wenyang", sagte Su Wei. „Ihr habt das Geburtstagsbankett meiner Mutter als Euer persönliches Trainingsgelände benutzt. Ihr habt schon mehr als genug Unordnung gemacht. Da Ihr als Repräsentant der Kaiserin gekommen seid, muss ich Seiner Majestät berichten, was heute geschehen ist, damit er sich mit Euch befassen kann. Ich fordere Euch auf, diesen Ort sofort zu verlassen!"

Duan Wenyang lachte. „Ich habe heute den Rat von Li-Gongzi mit seiner Schwertabsicht erhalten, also bin ich zufrieden. Ich hatte ohnehin vor, den Ort zu verlassen, mit oder ohne den Befehl des Herzogs des Bezirks Meiyang. Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit Euch!"

Mit diesen Worten drehte er sich um, um zu gehen, und Xie Xiang konnte es nicht länger aushalten. „Halt! Xie Xiang von der Linchuan Akademie bittet um Duan-Xiongs Beratung!"

Bevor er zu Ende gesprochen hatte, hatte sein Schwert die Scheide verlassen. Sein Körper verwandelte sich in einen schwingenden Bogen und er flog auf Duan Wenyang zu.

Aber es schien, als hätte Duan Wenyang diese Bewegung vorausgesehen. Ohne auch nur den Kopf zu drehen, katapultierte er sich mit einem Fußtritt nach oben und blieb auf dem Dach stehen. Dann verschwand er vollständig und ließ nur eine lange Kette von Gelächter zurück. „Ich verstehe, dass Xie-Langjun mich benutzen will, um Ruhm zu erlangen, aber bitte entschuldigt, dass ich nicht gewartet habe, um Euch Gesellschaft zu leisten", sagte er. „Lass uns das machen, bis Ihr auch die Schwertabsicht erreicht habt, ha ha!"

Ohne ein Ziel konnte Xie Xiang nur sein Schwert in die Scheide stecken, sich wieder auf den Boden begeben und hasserfüllt in die Richtung blicken, in die Duan Wenyang verschwunden war.

Von der Seite rief eine Person alarmiert: „Li-Gongzi, geht es Euch Gut?"

Alle drehten eilig ihre Köpfe in Richtung der Stimme, die sie hörten. Li Qingyu hatte ein Taschentuch herausgezogen, das bereits mit einem Mund voll blutigem Schaum besudelt war. Er schüttelte den Kopf und sagte: „Es geht mir gut. Ich habe einige kleinere innere Verletzungen erlitten. Ein paar Tage Erholungszeit reichen aus."

Erst jetzt verstanden alle anderen, was er mit ‘meine Fähigkeiten waren minderwertig‘ gemeint hatte. Aber wenn jemand wie Li Qingyu, der die Schwertabsicht erreicht hatte, ihm nicht ebenbürtig war, wie furchteinflößend waren dann Duan Wenyangs Kampffähigkeiten? Könnte er die Wiedergeburt von Hulugu sein?

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf sahen sie sich gegenseitig hilflos und entsetzt an.

Auch Xie Xiangs Herz fühlte mit.

Er hatte sich selbst für talentiert gehalten - die Gegner, denen er auf seinen jahrelangen Reisen durch die Jianghu begegnet war, hatten ihm eine Illusion vermittelt, eine, die ihn glauben ließ, dass er, auch wenn er es noch nicht unter die zehn Besten schaffte, nicht weit davon entfernt war. Doch plötzlich waren diese Experten aufgetaucht, einer nach dem anderen, zuerst Li Qingyu, der bereits die ‘Schwertabsicht‘ erreicht hatte, dann Duan Wenyang, der noch stärker war als Li Qingyu. Einst hatte Xie Xiang geglaubt, er sei zu allem in der Jianghu fähig, er könne sogar seine stürmischen Gezeiten bezwingen. Doch in eben dieser Jianghu lösten die Jungen die Alten ab, und jeder Berg stieg höher als der vorherige.

Während Xie Xiang immer mutloser wurde, wandte sich Li Qingyu an Shen Qiao. „Sektenanführer Shen."

„Dieser Shen ist nicht mehr der Sektenanführer", sagte Shen Qiao. „Li-Gongzi muss mich nicht als solchen ansprechen."

Li Qingyu ignorierte ihn und fuhr fort. „Ich habe bereits die Stufe der Schwertabsicht erreicht, aber ich bin Duan Wenyang immer noch unterlegen. Heißt das, sein Shidi Kunye ist noch stärker als er?"

Shen Qiao schüttelte den Kopf. „Kunyes Kampfkraft ist zwar beachtlich, aber er ist nicht auf dem Niveau von Duan Wenyang."

„Qi Fengge war die Nummer eins in der Welt, und ich bewunderte ihn für seine Kampfkraft und Großartigkeit", sagte Li Qingyu. „Und doch konnte Sektenanführer Shen, sein direkter Nachfolger, nicht einmal Kunye besiegen."

Shen Qiao schwieg.

Li Qingyu stieß einen leisen Seufzer aus. „Als Ihr geboren wurdet, war ich es noch nicht. Als ich geboren wurde, wart Ihr schon alt. Ich bedaure, dass ich den Ruhm von Qi Fengges Kampfkünsten nicht mehr miterleben konnte, als er noch glaubte, der Xuandu Berg hätte würdige Nachfolger. Es ist schade, so schade!"

Sein Gesichtsausdruck war zwar so mild wie zuvor, aber als er von ‘Schade‘ sprach, konnte man eine aufrichtige Enttäuschung in seiner Stimme hören.

Dies war ein Mönch, der sich ganz der Kampfkunst verschrieben hatte. Er würde niemals auf die Unbegabten herabsehen oder auf diejenigen, die es versäumt hatten, bei einem guten Meister zu lernen. Aber so wie Li Qingyu es sah, hatte Shen Qiao sowohl ein angeborenes Talent als auch ein perfektes Umfeld, das weit über das eines anderen hinausging, und dennoch war er so weit gekommen. Er sah nicht nur auf Shen Qiao herab, sondern hegte auch einen leichten Zorn gegen ihn, der aus Enttäuschung geboren war.

Erst musste er Duan Wenyangs Verachtung einstecken, und jetzt war es Li Qingyus Wehklagen, ganz zu schweigen von den misstrauischen Blicken der Menge um sie herum. Jeder stolze Mensch würde jetzt einen hässlichen Gesichtsausdruck aufsetzen, wenn er nicht stattdessen in Wut geraten wäre. Ihnen würde das Gesicht fehlen, um hierzubleiben.

Aber Shen Qiao konnte aushalten, was andere nicht konnten. Vielleicht ertrug er aber auch gar nichts. Er blieb stur und unnachgiebig wie immer, sein Gesichtsausdruck unverändert, und er stimmte Li Qingyu sogar mit dem Kopf zu. „Mein Meister war in der Tat außerordentlich großartig - nur wenige Menschen können sich mit ihm vergleichen. Es ist schade, dass Li-Gongzi nicht in der Lage war, sein geschätztes Selbst wenigstens einmal zu treffen. Li-Gongzis unvergleichliches Talent hätte zweifellos das Lob meines Meisters erhalten."

Trotz alledem konnte er so etwas sagen. Selbst Puliuru Jian bewunderte Shen Qiao für seine Selbstbeherrschung und die Art und Weise, wie er die Kritik, die an ihm geübt wurde, beiseite schob.

Es schien, als hätte Li Qingyu eine solche Reaktion von Shen Qiao auch nicht erwartet. „Ihr wart ein großer Mann, warum müsst Ihr Euch mit diesem Dämon abgeben und Euch dadurch erniedrigen?"

Mit ‘Dämon‘ meinte er natürlich Yan Wushi.

Shen Qiao war ein ordentlicher, aufrechter Anführer der taoistischen Sekte gewesen, doch er war so tief gefallen, dass er sich mit einem ‘Dämon‘ wie Yan Wushi eingelassen hatte. Für einen Außenstehenden sah das natürlich wie eine Herabwürdigung aus.

Aber die Gruppen und Organisationen in der Jianghu sahen in ihm den Präzeptor des Kronprinzen, der vom Kaiser persönlich ernannt worden war. Puliuru Jian zog die Stirn in Falten, und noch bevor Shen Qiao etwas gesagt hatte, ergriff er das Wort.

„Li-Gongzi hat in der Tat unglaubliche Fähigkeiten, und Jian bewundert Euch sehr. Doch je größer die Talente sind, desto aufgeschlossener sollte man sein. Der arme Shen-Langjun hat Euch noch nie beleidigt, warum also muss sich dieser angesehene Meister so aggressiv verhalten? Findet Ihr als Angehöriger einer angesehenen Sekte ein solches Verhalten nicht unehrenhaft?"

Li Qingyu warf Puliuru Jian einen Blick zu und sagte nichts. Er blieb auch nicht, sondern wandte sich ab, um zu gehen.

Su Wei hielt ihn auf - erst verbeugte er sich, dann sagte er mit lauter Stimme: „Das heutige Bankett wurde durch einen ungebetenen Gast ruiniert, und das war die Schuld unserer Familie Su. Ich danke euch allen für euren Mut, uns aktiv zu unterstützen und zu verteidigen. Wei entschuldigt sich bei allen dafür und verspricht, dass wir an einem anderen Tag weitermachen werden. Wir bitten Euch um Verzeihung."

Niemand hätte vorhersehen können, was an diesem Tag geschah. Natürlich gab niemand den Gastgebern die Schuld, sondern einer nach dem anderen sprach seinen Trost aus. Einige der Adligen, die mit der Familie eng befreundet waren, besprachen sogar mit ihm, wie sie dem Kaiser ein Memorandum für die bevorstehende Klage vorlegen könnten.

Einige Gäste verabschiedeten sich und gingen, während eines der Zofen von Frau Qin Li Qingyu zunickte, aber er hatte noch kein Wort gesagt, als sich etwas anderes ereignete.

„Als ich gerade gehen wollte, kam mir etwas in den Sinn. Da ihr nicht bereit seid, Yuan Xiong und seine Frau auszuliefern, werde ich die Dame als Gast einladen. Mal sehen, wen Ihr mehr schätzt: eure Mutter oder eure Cousine!"

Es war eine Stimme, die von weit her kam, hell und unvergleichlich klar, als ob sie direkt neben dem Ohr des Zuhörers sprechen würde. Eine solch hohe Stufe der ‘Klangverschiebung‘ war noch schwieriger zu erreichen als die Technik der ‘Klangübertragung‘.

Die Gesichter von Su Wei und Su Qiao waren vor Angst verzerrt. Su Wei war durch und durch ein Gelehrter und hatte nicht einmal genug Kraft, um ein Huhn fesseln, während Qiao gerade eine herbe Niederlage gegen Duan Wenyang erlitten hatte. Seine rechte Hand war noch immer völlig bewegungsunfähig, aber er konnte keinen Gedanken daran verschwenden, als er sprang und stürzte sich dorthin, wo seine Mutter war.

Doch noch bevor er sich ihr nähern konnte, wurde er plötzlich in die andere Richtung geschleudert und landete schwer auf dem Boden. Die anderen konnten nicht einmal sehen, wie er verletzt worden war.

Niemand hatte erwartet, dass Duan Wenyang so schnell zurückkehren würde, nachdem er gegangen war.

Aber natürlich hatte er nie versprochen, seine Forderung nach Yuan Xiong und seiner Frau aufzugeben. Er musste dies von langer Hand geplant haben und sich nicht von vornherein zu weit weg zurückgezogen haben.

In einem solch kritischen Moment wäre es mehr leeres, nutzloses Gerede, ihn zu verurteilen, weil er zu solch hinterhältigen und schamlosen Taktiken greift. Ganz gleich, ob es die Jianghu oder der Hof war oder ob es richtig ist. Wer am härtesten zuschlägt, hat das letzte Wort.

In dem Moment, in dem Su Qiao in die Luft flog, traten Li Qingyu, Dao Yanshan und Xie Xiang gemeinsam in Aktion und versuchten, Duan Wenyang aufzuhalten.

Diese Männer waren derzeit das Beste, was es in der Jianghu gab. Wenn es eine Lücke zwischen ihnen und den zehn Besten gab, dann war es ein Kleiner. Li Qingyu zum Beispiel war wahrscheinlich bereits qualifiziert, in zu den zehn Besten aufzusteigen - auch wenn er Duan Wenyang bei ihrem Duell vor wenigen Augenblicken leicht unterlegen gewesen war. Aber wenn sie alle drei als Gruppe angriffen, gab es keinen Grund, warum sie scheitern sollten.

Aber sie hatten sich verkalkuliert.

Duan Wenyang hatte es nicht auf Frau Qin abgesehen. Stattdessen wechselte er auf halbem Weg das Ziel und ging direkt auf Su Wei los!

Frau Qin war in ihrer Jugend eine Schülerin von Hulugu gewesen. Auch wenn sie seit vielen Jahren nicht mehr gekämpft hatte, waren ihre Kampffähigkeiten wahrscheinlich gut. Aber Su Wei war anders - der Herzog des Bezirks Meiyang war nichts weiter als ein Gelehrter, und er hatte keine Ahnung von der Kampfkunst. Duan Wenyangs Bewegungen waren direkt und wendig, völlig unaufgeregt. Er hatte vorhin nur getrickst, das war von Anfang an geplant gewesen.

Die Gruppe war bereits einen halben Schritt zurück, und nun führte Duan Wenyang mit einem Schlag seines Ärmels einen Handflächenhieb aus, der sie für einen weiteren Moment aufhielt. Als sie wieder angreifen wollten, berührten Duan Wenyangs Finger bereits den Hals von Su Wei. Selbst wenn sie göttliche Unsterbliche gewesen wären, hätten sie ihn nicht mehr rechtzeitig retten können.

Su Qiao rief hilflos und alarmiert: „Xiaongzang!"

Frau Qins Gesichtsausdruck verdrehte sich, als sie höhnisch sagte: „Fasst meinen Sohn nicht an!"

Dann stieß Duan Wenyang einen überraschten Laut aus.

Das lag nicht an den Rufen von Su Qiao und Frau Qin, und schon gar nicht daran, dass Li Qingyu und die anderen es irgendwie rechtzeitig zu ihm geschafft hatten.

Wie aus dem Nichts tauchte ein Bambusstock auf und blockierte ihn von vorne.

Duan Wenyang streckte instinktiv die Hand aus, um ihn beiseitezuschieben, aber irgendwie entglitt ihm der Stock immer wieder, er war so unmöglich zu fangen wie ein Schleimaal, und ließ ihm keinen Raum, um richtige Kraft anzuwenden. Wahres Qi breitete sich in überlappenden Wellen aus den Bewegungen des Stocks aus, und obwohl es nicht erdrückend war, war es doch kraftvoll und anhaltend. Duan Wenyang war gezwungen, Su Wei vorübergehend aufzugeben und seine Aufmerksamkeit diesem neuen, unerwarteten Gegner zu widmen.

Als er endlich einen Blick auf seinen Gegner werfen konnte, stand ihm der Schock ins Gesicht geschrieben und er war kurz davor, überzulaufen.

 

 

 

Erklärungen:

EinMemorandumist eine Denkschrift, eine Stellungnahme, ein kalendarisches Merkheft oder schlicht eine Notiz mit etwas Denkwürdigem, in der Verwaltungssprache wird sie auch als Erinnerung bezeichnet und steht für eine Stellungnahme. 



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