Kapitel 54

„Kahlköpfiger, alter Esel", spottete Yan Wushi. „Ihr wurdet als einer der drei besten Kampfkünstler der Welt gepriesen und doch Ihr müsst Duan Wenyang anheuern, um mich zu töten? Schämt Ihr Euch denn gar nicht?"

Der Gesichtsausdruck des buddhistischen Meisters Xueting blieb gleichgültig. „Solange Sektenanführer Yan heute stirbt, ist mein Ruf von geringer Bedeutung. Ihr seid zu oberflächlich, Sektenanführer Yan."

Yan Wushi brach in Gelächter aus. „Wenn Ihr einen Helfer von den Kök-Türken braucht, warum habt Ihr dann nicht einfach den Geist von Hulugu herbeigerufen? Was kann ein trauriger kleiner Duan Wenyang meinem ehrwürdigen Ich antun?"

„Sektenanführer Yan sollte wirklich nicht zu sehr prahlen", warnte Duan Wenyang ihn. „Wenn Ihr hier heute Euer Leben verliert, werdet sonst selbst Ihr in der Unterwelt kein Gesicht mehr haben."

Das Sprechen beeinträchtigte nicht im Geringsten seine Angriffe. Im Handumdrehen verdunkelten die Umrisse seiner Peitsche bereits den Himmel und versperrten Yan Wushi alle Fluchtwege von oben.

Duan Wenyangs erste Peitsche war bei seinen Kämpfen gegen Li Qingyu und Shen Qiao längst zerstört worden. Die Peitsche, die er jetzt in der Hand hielt, war eine Neuanfertigung mit dem Namen Shizhang Ruanhong. Für die Herstellung dieser Peitsche war nicht weniger Zeit aufgewendet worden als für die erste, und vielleicht war sie sogar noch haltbarer. Mit einer leichten Bewegung des Handgelenks von Duan Wenyang veränderte sich die Form der Peitsche und ließ Tausende von Luftspiegelungen entstehen, die das Auge blenden und die Zuschauer verwirren konnten.

Es war offensichtlich: Seine Kraft war seit den Duellen mit Li Qingyu und Shen Qiao in der Su-Residenz immens gewachsen.

Egal, wer es war, solange er nicht mittelmäßig war, gab sich niemand damit zufrieden, gewöhnlich zu sein; er strebte danach, sich ständig zu verbessern. Das mochte für einen selbst gelten, aber es galt auch für seine Feinde.

Duan Wenyangs Peitschentechniken waren von der unheimlichen und unberechenbaren Sorte, und die Säbeltechniken der westlichen Regionen waren ebenfalls eingewoben. Diese beiden Techniken kombinierten sich zu einem wütenden Sandsturm: grenzenlos und unendlich, der den Gegner von vorne verschlang und ihn in seiner Verzweiflung erstickte, bis er jeden Kampfeswillen verlor.

Doch sein Gegner war Yan Wushi.

Yan Wushi war unbewaffnet. Doch seine Finger wurden vor den beiden großen Kampfkünstlern dieser Generation zu einem Schwert, und unter dem Befehl seines wahren Qi verwandelten sich die Blütenblätter und Blätter, die um sie herumflatterten, in Tausende von messerscharfen Klingen, die jeden einzelnen von Duan Wenyangs Angriffen zunichtemachten.

Der buddhistische Meister Xueting war ein Mann der wenig Emotionen zeigte. Er wirkte sogar noch göttlicher als die Buddha-Statuen in den Tempeln: frei von Freude oder Zorn und völlig ungerührt von der Außenwelt.

In diesem Moment, als er Duan Wenyang scheitern sah, zeigte er sich weder überrascht noch wütend. Stattdessen drückte er seine Handflächen gleichmäßig von sich weg. Als sich sein wahres Qi verdichtete, schienen diese zehn Finger, die ohnehin schon außergewöhnlich blass waren, mit dem Glanz einer farbigen Glasur zu glänzen. Auch Xuetings Gesicht schien sich mit dem leichten Schimmer des Mondlichts zu färben, so schön wie eine Jadeschnitzerei.

Er benutzte insgesamt sechs "Acala-Siegel". Zuvor hatte er mit drei von ihnen zugeschlagen, eines nach dem anderen, doch sie waren bei Yan Wushi wirkungslos. Jetzt benutzte er die vierte und fünfte Geste: "Unbeweglich wie ein Berg" und "Eine Blume pflücken, ein stillschweigendes Lächeln".

Erstere war eine defensive Bewegung anstelle eines Angriffs, die zweite konzentrierte sich darauf, Stärke mit Sanftheit zu kontern. In seinen Händen wurden die komplizierten, sich ständig verändernden Schläge außerordentlich schön und angenehm für das Auge, sodass man unbewusst die Deckung fallen lassen konnte.

Als er das Siegel "Unbeweglich wie ein Berg" ausstieß, ertönte in jedermanns Ohren ein brummendes Heulen, und der Verstand wurde für einen Moment ausgeschaltet ‒ selbst die Peitsche in Duan Wenyangs Händen blieb unbewusst für einen Augenblick stehen. Yan Wushi jedoch blieb völlig unbeeindruckt und lachte sogar kalt auf. Er ignorierte Xuetings Mudra, dessen Pose wie das Pflücken einer Blume aussah, als er sich ihm von hinten näherte, und griff wie zuvor nach Duan Wenyangs Peitsche. Seine Hand durchdrang das dicht gewebte Netz der Nachbilder, als wäre es nichts, und erwischte die Peitsche tatsächlich mit bloßen Händen. Dann, mit einem Ruck und einer Drehung, drehte er sich um, lenkte die Kraft um und lenkte jedes winzige Bisschen von Duan Wenyangs wahrem Qi auf den buddhistischen Meister Xueting!

Xueting stieß sich mit einem Fußtritt vom Boden ab und sein Körper trieb augenblicklich einige Meter zurück. Obwohl er zwei gegen einen kämpfte, wich Yan Wushi nicht zurück, sondern jagte ihm hinterher, und als sie sich gegenüberstanden, trafen ihre Handflächen aufeinander.

Eine starke Kraft gegen eine starke Kraft. Das wahre Qi zweier Kampfkunst-Großmeister geriet in eine unausweichliche Konfrontation mit verheerendem Ausgang: Einen Sekundenbruchteil später gab es eine dröhnende Explosion, und um die beiden Kämpfer herum bildete sich ein Strudel, der die gesamte Schöpfung verschlingen wollte. Duan Wenyang spürte nur, wie er von vorne von einem gewaltigen Strudel erfasst wurde, und er war gezwungen, seine Peitsche zurückzuziehen und fünf oder sechs Schritte zurückzutreten. Nur so entkam er der schrecklichen Wucht.

Aber keine der beiden Personen im Inneren bewegte sich auch nur einen Schritt. Die gefallenen Blätter unter ihren Füßen wurden von ihrem wahren Qi in die Luft gezogen und tanzten im Wind.

Xueting starrte Yan Wushi ausdruckslos an, als plötzlich eine mächtige Wahrheit in seinem Herzen aufstieg: Wenn er diesen Mann heute nicht töten konnte, würde er wahrscheinlich nie wieder die Gelegenheit dazu haben!

Als Großmeister hatte Xueting natürlich auch den Stolz eines Großmeisters. Wenn es möglich wäre, würde er natürlich einen fairen und ehrenhaften Zweikampf mit Yan Wushi vorziehen, aber auf ihm lastete eine schwere Pflicht: die Erneuerung des Buddhismus.

Und Yan Wushi war sein größtes Hindernis; nur wenn Yan Wushi weg war, konnte der Buddhismus in der Nördlichen Zhou-Dynastie wieder seinen alten Stellenwert einnehmen. Diese Schlacht durfte er auf keinen Fall verlieren!

Yan Wushi lächelte ihn plötzlich an. Es war ein unerklärliches und unheimliches Lächeln, und Xueting konnte nicht anders, als seine Stirn zu runzeln.

Im nächsten Moment drehte sich Yan Wushi um, anstatt ihn weiter anzugreifen, und stürzte sich auf Duan Wenyang.

In diesem Moment hielt Duan Wenyang seine Shizhang Ruanhong hoch über sich und ließ sie auf den Kopf von Yan Wushi herab.

Der Schwung der Peitsche war wie ein tausend Tonnen schweres Gewicht, und von Duan Wenyangs wahrem Qi durchdrungen, wurde sie zu einem Bogen aus weißem Licht.

Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass Yan Wushi plötzlich den buddhistischen Meister Xueting fallen lassen und stattdessen auf ihn zu schlendern würde.

Und er schlenderte im wahrsten Sinne des Wortes. Seine Schritte waren so ruhig und gemächlich, als ob er einen müßigen Spaziergang machen würde. Aber innerhalb weniger Schritte hatte er sich bereits neben dem buddhistischen Meister Xueting zu der Stelle, wo Duan Wenyang stand. Dann streckte er die Hand aus und griff direkt nach dem weißen Bogen.

Es war eine bizarre Bewegung ‒ sie sah langsam aus, aber er griff mit präziser Genauigkeit nach dem Körper der Peitsche. Und einfach so wurde Shizhang Ruanhong von seiner Hand umklammert, während die Hand selbst völlig unversehrt blieb.

Duan Wenyangs Gesichtsausdruck veränderte sich. Bevor er reagieren konnte, krallten sich die Finger des anderen Mannes fest und die Peitsche, die Duan Wenyang so mühsam erschaffen hatte, wurde in seinem Griff zerschmettert!

„Hat Euch Euer Shifu nie beigebracht, dass alle Waffen gegen einen wahren Experten nichts ausrichten können?" Ein wildes Lächeln umspielte die Lippen von Yan Wushi. Während er sprach, glitt seine Hand bereits an der zerstörten Peitsche hinunter zu Duan Wenyangs Arm.

Diese Hand wäre in der Lage gewesen, einen normalen Menschen zu packen, aber Duan Wenyang war kein gewöhnlicher Mensch. Er verschwendete keine Zeit mit der Trauer um seine Peitsche ‒ in dem Moment, in dem sie zerstört wurde, hatte er sie bereits losgelassen und schlug mit der anderen Hand auf Yan Wushis Brust ein.

Zur gleichen Zeit war auch der Angriff des buddhistischen Meisters Xueting gekommen:

Sein "Acala-Siegel" befand sich bereits in der Mitte von Yan Wushis Rücken. Er hatte nach Duan Wenyang mit dem Angriff begonnen, doch aus irgendeinem Grund war er noch schneller gewesen!

Yan Wushi bewegte seine Füße nicht, sondern sein Körper löste sich direkt vor Duan Wenyang in Luft auf. Aber Duan Wenyang wusste, dass dies nur ein Ablenkungsmanöver war ‒ es war unmöglich, dass eine Person in so kurzer Zeit spurlos verschwinden konnte, und so verlangsamte er seinen Angriff nicht im Geringsten.

Und doch verfehlte seine Handfläche das Ziel!

Wie konnte es ein Qinggong von solch unglaublicher Geschwindigkeit geben?

Duan Wenyang war vollkommen verblüfft.

Auf der anderen Seite trafen die Handflächen von Yan Wushi und Xueting ein zweites Mal aufeinander.

Die Kraft, die hinter diesem Aufeinandertreffen steckte, war noch stärker. Die Bäume in der Nähe erbebten unter der Kraft ihres wahren Qi, und Risse schlängelten sich mit einer für das bloße Auge sichtbaren Geschwindigkeit an ihren Stämmen empor.

Dieses Mal fielen sowohl Yan Wushi als auch der buddhistische Meister Xueting drei Schritte zurück.

Ist dieser Mann ein Monster?, war der Gedanke, der Duan Wenyang durch den Kopf schoss, als er Yan Wushis Fähigkeiten aus erster Hand sah.

Er hatte sich immer damit gebrüstet, äußerst talentiert zu sein, dass selbst sein Meister Hulugu im selben Alter nicht besser gewesen sein konnte als er, aber nachdem er dem fast unmenschlichen Wesen namens Yan Wushi begegnet war, hatte er ständig Rückschläge erlitten. Damals, als er von dem erbärmlichen Bild hörte, das sein Shidi Kunye gemacht hatte, als Yan Wushi ihn verfolgte, hatte er sogar über Kunyes Unfähigkeit gelacht. Aber wenn er sich jetzt ansah, schien es ihm nicht viel besser zu gehen.

Und er arbeitete sogar mit einem hochkarätigen Großmeister wie Xueting zusammen, einem der drei besten der Welt. Und trotzdem konnten sie nicht einen einzigen Yan Wushi töten?

„Die Technik, die er gerade benutzt hat, war 'Körper zu Schatten, Phase und Ersetzen'." Diese Stimme klang in Duan Wenyangs Ohren ‒ der Sprecher hatte die Worte direkt zu ihm geschickt, sodass nur er sie hören konnte, aber es war keine unbekannte Stimme. „Wenn man sie endgültig beherrscht, erscheint selbst eine den Horizont überspannende Entfernung nur noch wie ein paar Meter. Er scheint Euch sehr nahe zu sein, aber in Wirklichkeit hat er sich Euch überhaupt nicht genähert. Sein Augenmerk lag immer auf dem Mönch Xueting dort drüben. Lasst Euch nicht von ihm verwirren."

Die Stimme hatte gerade geendet, als sich plötzlich ein Schwert links von Yan Wushi materialisierte.

Und zusammen mit dem Schwert erklangen ein paar sporadische Töne von einer Zither.

Purpurne Schwertlichter fielen wie ein Leichentuch, das Licht durchflutete alles und harmonierte perfekte mit dem Klang der Zither. Mit den Tönen der Zither als Medium durchbrach der Musizierende die dichte Panzerung aus wahrem Qi, die Yan Wushi aufgebaut hatte, und nutzte dabei aus, dass Yan Wushi sich auf den Kampf gegen Xueting konzentrierte. Dieser Angriff stammte aus demselben Zweig der dämonischen Künste wie der von Yan Wushi, und dank dieser Gemeinsamkeit fand er eine winzige Lücke in seiner Verteidigung.

In dem Moment, in dem dieser Riss sichtbar wurde, kamen die durchdringenden Schwertlichter und zielten direkt auf Yan Wushi!

„Die Fenglin-Schriften haben eine Schwachstelle. Je stärker man wird, desto verheerender wird dieser Makel. Yan Wushi hat die neunte Stufe erreicht, und wegen dieses Fehlers ist er nicht in der Lage, weiter voranzukommen und die höchste Stufe der wahren Vollkommenheit zu erreichen. Wenn wir ihn töten wollen, ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür!"

Es war Guang Lingsans Stimme, hell und klar, aber seine eigentliche Person war nirgends zu finden. Vielleicht war er schon vor langer Zeit gekommen und hatte sich die ganze Zeit über versteckt gehalten, um auf den richtigen Moment zu warten, in dem er die verwirrende Wirkung seiner Zither maximieren konnte.

Von allen Anwesenden konnte nur ein weiterer Anhänger der dämonischen Disziplin und der Anführer der Fajing-Sekte am ehesten etwas über Yan Wushis Kampfkünste sagen.

In der Tat schossen die violetten Schwertlichter mit unaufhaltsamer Wucht hervor und durchbohrten Yan Wushis Kleidung. Sein Rücken färbte sich augenblicklich blutrot.

Yan Wushi stieß schnaubend ein Lachen aus. „Was für ein Haufen Abschaum! Mein Ehrwürdiges Ich hat kein Interesse mehr daran, mit euch zu spielen!"

Damit drehte er sich um und führte einen Schlag gegen Yu Ais Junzi Buqi aus. Sein Schwertlicht schwankte ein wenig, aber er stürmte weiter auf ihn zu.

Die Melodie der Zither veränderte sich plötzlich und steigerte sich von ruhig zu leidenschaftlich!

Guang Lingsan schrie: „Die Schwachstelle in seinem dämonischen Kern ist erschienen!"

Noch bevor er seine Worte beendet hatte, tauchte jemand in der Nähe auf und feuerte einen schnellen Windstoß aus seiner Handfläche auf Yan Wushi!

Währenddessen formten Xuetings Hände das letzte Siegel, seine Hände drehten und wendeten sich: Dies war die letzte Form seines "Acala-Siegels", der "blutroter Lotus der flammenden Vergeltung"!

Die Flammen der Vergeltung kamen in Form von blutroten Lotusblumen hervor, so groß wie das Meer oder der Himmel, grenzenlos und unendlich. Sie wogten wie wütende Fluten, loderten intensiv und verbrannten alle Täuschungen der Welt.

Schließlich erschien ein kleiner Riss in Yan Wushis wahrem Qi, das so dicht und perfekt aufgebaut war.

Die Flammen der Vergeltung leckten darin, Welle um Welle. Sie zwangen den Riss, sich auszudehnen, und rissen ihn schließlich ganz auf, stürzten sich auf seinen dämonischen Kern und rissen ihn mitsamt den Wurzeln heraus!

Im nächsten Moment schlugen fünf schlanke, bleiche Finger hart in Yan Wushis Brust ein.

Ein kleines Rinnsal von Blut sickerte aus seinem Mundwinkel.

Doch damit wurde auch sein Gesichtsausdruck bösartig. Sein Ärmel schlug in Richtung des buddhistischen Meisters Xueting und sandte einen mächtigen Stoß innerer Energie aus, dem er ausweichen musste. Der buddhistische Meister Xueting wich einen halben Schritt zurück.

Dieser halbe Schritt war genug. Yan Wushi drehte sich um und packte die Klinge, die ihm in den Körper gestochen wurde, mit der bloßen Hand und drehte sie dann kräftig. Und so wie er zuvor Duan Wenyangs Peitsche zerschmettert hatte, zersplitterte Junzi Buqis Klinge tatsächlich in Stücke. Dann krümmte er seine Finger und ging direkt auf Yu Ais Gesicht zu. Die beiden tauschten innerhalb eines Augenblicks Dutzende von Schlägen aus, und genau in diesem Moment holte Dou Yanshan mit einer weiteren Handfläche aus und schlug sie direkt in eine ungeschützte Stelle in der Mitte von Yan Wushis Rücken.

Mit Erfolg!

Dou Yanshan hatte nicht gewagt, sich Hoffnungen zu machen, und so war er erfreut über diese unerwartete Wendung der Ereignisse. Er hatte seine ganze Kraft in diesen einen Schlag gesteckt, und Yan Wushi hatte ihn direkt abbekommen ‒ es war unmöglich, dass er ihn unbeschadet überstand.

Mit diesen beiden Schlägen des buddhistischen Meisters Xueting und von Dou Yanshan wurde der Druck auf Duan Wenyang und Yu Ai stark verringert.

Obwohl Guang Lingsan sich überhaupt nicht gezeigt hatte, war der Beitrag seiner Zithermusik nicht unbedeutend. Er war derjenige, der im Duell mit Ruyan Kehui die Schwachstelle entdeckt hatte, die Yan Wushis Qi-Abweichung hinterlassen hatte, und das machten sie sich zunutze, um sie an der Wurzel zu packen.

Als er bemerkte, dass der buddhistische Meister Xueting nicht nachsetzte, sondern nur daneben stand und zusah, blieb auch Dou Yanshan stehen und fragte: „Warum hat der Große Meister aufgehört?"

„Obwohl Yan Wushi und ich auf verschiedenen Seiten stehen, gibt es keinen persönlichen Groll zwischen uns. Wir hatten keine andere Wahl, als diesen Hinterhalt zu führen, aber ein Gegner wie er verdient es, dass man ihn mit Respekt behandelt. Er hat es nicht verdient, hier zu sterben, nicht auf diese Weise."

Dou Yanshan grinste innerlich. Wenn du wirklich tugendhaft wärst, warum solltest du dich dann an diesem Hinterhalt beteiligen? Aber er sprach seine Gedanken nicht aus, sondern lächelte nur.

„Der große Meister ist wahrlich ein Mann von edlem Charakter!"

Als ob er in seine Gedanken sehen könnte, sagte der buddhistische Meister Xueting kühl: „Gildeanführer Dou sollte eines wissen: Selbst wenn Yan Wushi stirbt, wird die Schriftrolle der Zhuyang-Strategie, die er zerstört hat, nicht zurückkehren."

Dou Yanshan schmunzelte. „Yan Wushi allein hat die ganze Welt in Aufruhr versetzt. Wenn er stirbt, werden alle in Frieden leben, und der Buddhismus kann sich entfalten ‒ ich muss Ihnen gratulieren, Großer Meister!"

Während die beiden miteinander sprachen, wurde Yan Wushi von einer weiteren Handfläche getroffen.

Er musste fliehen, aber da seine Schwäche offenbart wurde, vernebelten die Noten der Zither nun seinen Geist. Zusammen mit den inneren Verletzungen, die er sich durch die beiden Handflächeschläge zugezogen hatte, und der Art und Weise, wie Yu Ai und Duan Wenyang ihre Angriffe fortsetzten, war sein wahres Verteidigungsqi schließlich vollkommen zusammengebrochen. Dann trafen ihn zwei weitere Schläge.

Natürlich erging es Yu Ai und Duan Wenyang auch nicht viel besser: Yu Ais Schwert war zerbrochen, und der andere hatte drei Schläge in die Brust abbekommen. Sein Gesicht war leichenblass, als er einige Schritte zurückstolperte und schließlich zu Boden fiel. Duan Wenyangs Peitsche war zerstört worden, und er erlitt innere Verletzungen. Mehrere seiner Rippen waren gebrochen, und er spuckte viele Schlucke Blut aus.

Und doch hatte Yan Wushi unter diesen Umständen noch die Kraft zu fliehen, und sein Körper wurde zu einem verschwommenen Nachbild. Sowohl Dou Yanshans als auch Guang Lingsans Gesichter verzerrten sich vor Schreck, aber es war bereits zu spät, um ihn aufzuhalten.

In diesem Moment verschwand Xueting von dort, wo er gestanden hatte. Er setzte sein Qinggong bis zum Äußersten ein und blockte Yan Wushi direkt ab. Die Kraft seines "Acala-Siegels" zwang Yan Wushi, sich dem Angriff frontal entgegenzustellen, und damit verlor er seine letzte Chance zu entkommen. Diesmal jedoch fiel Xueting mehr als fünf Schritte zurück, und sein Gesicht wurde sofort knallrot und dann grässlich weiß ‒ er hatte sich gezwungen, das Blut, das in seinem Mund sprudelte, hinunterzuschlucken.

Yan Wushi brach in Gelächter aus.

Doch dann verstummte das Lachen abrupt, und er spuckte einen riesigen Schluck frisches Blut aus.

Dou Yanshan stürzte sich auf ihn und schlug mit der Handfläche direkt auf den Baihui-Akupunkturpunkt auf dem Scheitel von Yan Wushi!

Mit diesem Schlag stürzte Yan Wushi schließlich regungslos zu Boden.

Der buddhistische Meister Xueting runzelte die Stirn, sagte aber schließlich nichts mehr. Er beobachtete, wie Yan Wushi langsam die Augen zufielen, und rezitierte dann leise einen der Namen Buddhas. Er legte die Hände zusammen und verbeugte sich in Richtung des Gefallenen, dann drehte er sich einfach um und ging ohne einen weiteren Blick.

Yu Ai und Duan Wenyang waren beide schwer verletzt. Da sie sahen, dass Yan Wushi keine Überlebenschance hatte, verließen sie nacheinander den Ort, um ihre Wunden zu behandeln.

Dou Yanshan ging in die Hocke, um die Leiche sorgfältig zu untersuchen. Nachdem er festgestellt hatte, dass er nicht mehr atmete, lächelte er schließlich und wandte sich an Guang Lingsan, der mit seiner Zither in der Hand hinausging. „Herzlichen Glückwunsch, Sektenanführer Guang! Der Tag, an dem Ihr die drei Sekten vereinigen werdet, steht vor der Tür."

„Vielen Dank für Eure freundlichen Worte, Gildeanführer Dou. Seid ihr sicher, dass Yan Wushi tot ist?"

„Natürlich. Ich habe ihm mit diesem Schlag den Schädel zertrümmert. Außerdem sind alle seine inneren Organe zerrissen und bluten durch die Schläge von vorhin. Sein Leben ist zu Ende, er hat keine Chance zu überleben."

Guang Lingsan lächelte. „Die dämonische Disziplin hat eine Technik namens 'Vom Himmel oben zur Erde nach unten'", sagte er. „Kurz bevor das Leben des Praktizierenden zu Ende geht, zerstört er seinen Körper und begibt sich in einen Zustand des Scheintodes, während er sich eine kleine Überlebenschance bewahrt. Das Problem ist nur, dass das Erlernen dieser Technik furchtbar schmerzhaft ist und dass sie normalerweise nur von begrenztem Nutzen ist. Daher versuchen nur wenige Menschen, sie zu erlernen."

„Macht sich Sektenanführer Guang Sorgen, dass Yan Wushi diese Technik auch gelernt hat?", fragte Dou Yanshan.

„Da wir schon so weit gekommen sind, ist es besser, wenn wir uns die Zeit nehmen, die Dinge gründlich zu überprüfen. Es kann nicht schaden, sicher zu sein." Er ging auf Yan Wushi zu und griff nach seinem Handgelenk.

Ein Schwert in der Scheide erschien, das der Länge nach auf ihn gerichtet wurde.

Dieses Schwert war schlicht, fast schon grob: Es hatte nichts Außergewöhnliches an sich, abgesehen von den vier Schriftzeichen, die neben dem Griff eingraviert waren ‒ "Shanhe Tongbei".

Guang Lingsans Gesichtsausdruck flackerte. Er wusste nicht einmal, wann die andere Partei aufgetaucht war.

„Er mag sich zu Lebzeiten überall Feinde gemacht haben, deren Zahl unüberschaubar ist, aber er war dennoch ein Großmeister seiner Generation", sagte dieser Neuankömmling. „Den Toten gebührt die größte Ehrerbietung. Ist es nicht ziemlich unpassend, dies einem Gegner anzutun, der Euren Respekt verdient?"

Dou Yanshan kniff die Augen zusammen und stieß den Namen des Neuankömmlings Silbe für Silbe aus: „Shen! Qiao!"

 

 

 

Erklärungen:

Shizhang Ruanhong. 十丈软红. Wörtlich "Dreißig Yards sanftes Rot". Hier bezieht sich das "Rot" auf die säkulare Welt. (Ein Yard hat eine Länge von 91,44 cm.)

Acala ist eine Gottheit bzw. „Mantrakönig“ (Vidyārāja) des Buddhismus. Er gilt als „Beschützer der Lehre“. Sein Abbild findet man häufig vor Tempeln, um Feinde abzuwehren. Er wird als dreiäugige, zähnefletschende Gestalt mit sechs Armen dargestellt und ist mit einem Schwert, einem Vajra (Donnerkeil), einem Beil und einer Schlinge bewaffnet.

Die Mudra (Sanskrit, f., मुद्रा, mudrā, urspr.: „Siegel“) ist eine symbolische Handgeste, die sowohl im alltäglichen Leben, in der religiösen Praxis als auch im indischen Tanz ihre Anwendung findet. Übersetzt aus dem Sanskrit bedeutet Mudra „das, was Freude bringt“. Mud heißt Freude, aber auch Geste, um den Göttern zu gefallen. Ra bedeutet „das, was gibt“.

Shifu ist die Bezeichnung für einen Lehrer/Meister der eigenen Sekte. Geschlechtsneutral. Meist austauschbar mit Shizun.




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4 Kommentare:

  1. Shen Qiao in Letzter sekunde O_O hau sie zu brei- danke

    aber heftig diese rKampf O_O dennoch UNFAIR 5 gegen 1 und die nennen sich meister ufff das ich nicht lache - Ihr 5 wisst aber schon was Karma bedeute oder?

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    1. Jetzt ist Shen Qiao mal der Retter in letzter Sekunde. XD
      Yan Wushi war das ja auch immer wieder bei Shen Qiao, nur konnte Shen Qiao nicht früher eingreifen wo hingegen Yan Wushi es nie wollte.
      Aber wer kann in einem Kampf gegen Yan Wushi eins gegen eins gewinnen. Wahrscheinlich nur die verstorbenen Meister wie Qi Fengge, Hulugu oder der Typ der Yan Wushi vor Jahren fertig gemacht hat und ihn in die Abgeschiedenheit zwang.
      Ich glaube auch das alle der fünf es irgendwann bitter bereuen werden Yan Wushi bekämpft zu haben und das mit so unfairen Mitteln.

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  2. Ja, Shen Qiao ist endlich gekommen und rette den Tag und seinen Mann.^^ Danke für das Kapitel.
    Ness

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    1. Danke für deinen Kommentar.
      Shen Qiao wird aber noch ein bisschen mehr tun als ihn zu retten. ^^

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